Sonntag, 14. Oktober 2012

text /// Unsere Seiten des Bettes.


Das ganze erinnert an die perfide Szenerie, ein Hotelzimmer mit Doppelbett gebucht zu haben, aber nur für eine Seite des Bettes zu zahlen.
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Ich liege immer auf der rechten Seite in meinem Bett. Und obwohl ich niemanden mehr erwarte, habe ich mir das wohl so angewöhnt. Ich spüre den kalten Luftzug des offenen Fensters im Rücken und schaue mit glasigen Augen der fahlen Glut meiner Zigarette zu, wie sie leise knistert und schließlich, Stück für Stück, in den vollen Aschenbecher fällt. Ich reibe mir die Augen, nippe am Whisky und fühle mich wie ein schlechter Hank Moody.

Die zweite Decke liegt akkurat zusammengelegt neben mir auf der anderen Seite des Bettes. Das Kopfkissen ist unberührt. Das ganze erinnert an die perfide Szenerie, ein Hotelzimmer mit Doppelbett gebucht zu haben, aber nur für eine Seite des Bettes zu zahlen: sobald ich die andere Seite des Bettes benutze, muss ich dafür aufkommen. Doch das kann ich nicht. Nicht jetzt.

Ich lasse den Tabak verglühen, ohne noch einmal am Filter zu ziehen, trinke das Glas in einem Zug leer und schließe die Augen. Die Kerze flackert ruhig.

Mein Kopf wird schwer, ich spüre wie es warm meinen Hals hinunterzieht. Der dicke Tabakrauch scheint trotz der kalten Nachtluft um mich herum wie ein Schleier in der Luft zu schweben. Ich verliere für einen kurz Moment mein Gleichgewicht und falle metertief durch graue Nebel und wabbernde Luft, schlage hart auf und presse meinen Kopf tiefer ins Kissen.

Als ich die Augen öffne, sitzt du neben mir am Rand des Bettes. Da bist du, doch ich erkenne dein Gesicht nicht. Alles schwimmt im Kerzenlicht. Mir ist schwindelig. Ich versuch mich aufzurichten, doch die Decke kommt mir so endlos schwer vor, so endlos erdrückend. Du lächelst, wie ich es noch nie gesehen habe. Voller Zufriedenheit und Wärme – und doch unnahbar und abgeklärt. Du legst deine Hand auf meine Brust und deinen Zeigefinger auf meine Lippen.

„Schhhhh, ich weiß was du fragen willst“, deutest du meinen Blick. Ich blicke mich um, rechts neben mir liegt meine Decke, akkurat zusammengelegt, das Kopfkissen unberührt.

„Das wird nie dein Zuhause sein. Es wird nie dir allein gehören“, flüsterst du sanft und blickst mich dabei an. Dein Blick schweift zum Fenster, deine Hand gräbt sich tief in meine Brust, deine Fingernägel reißen meine Haut auf. Ich versuch zu schreien und bekomme nur ein heiseres Husten aus meinen Lippen gepresst. Lauwarmes Blut fließt in die Kuhle unterhalb meines Adamsapfels und bahnt sich den Weg über mein Schlüsselbein hinein in das weiche Kissen. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nichts tun.

„Ich bin für dich da“, sagst du, während du verträumt in den hellen Nachthimmel der Stadt blickst, fast sehnsüchtig und doch gleichgültig. Dann drehst du den Kopf zu mir und lächelst mich an, mit strahlenden Augen und einer Liebe, die nur zerstören kann. Alles zerstört. Dunkelheit.

Ich reiße die Augen auf, den Kopf tief im Kissen vergraben. Neben mir glüht der letzte Rest der Zigarette. Meine Brust schmerzt. Mein Kopf drückt. Benommen setze ich mich auf und zünde mir eine neue Zigarette an, fülle das Glas voll. Die Decke zu meiner linken ist akkurat zusammengelegt, das Kopfkissen unberührt.

Langsam streife ich den Bezug von meiner Decke und dem Kissen, rolle den Stoff zusammen. Zitternd mache ich mich auf den Weg zur Waschmaschine, um alles gedankenverloren in die schwarze Trommel zu werfen. Im Augenwinkel, unscheinbar, entdecke ich im Spiegel die Kratzer auf meiner Brust und das Blut unter meinen Fingernägeln. Du bist also zurück.

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