Montag, 29. April 2013

text /// Wenn ich betrunken an dich denke.

Chapeau, ihr Teufel. Ihr habt nichts für mich übrig, außer eines blassen Echos. 
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Wenn ich dann nach Hause komme, meinen Schlüssel auf das Brett im Flur lege, meine Jacke an den Haken hänge, meine Mütze in den Korb schmeiße und meine Hosentaschen – Feuerzeug, Zigaretten, Autoschlüssel, Taschentuch, Brieftasche, Kaugummis, Kleingeld, Kondom, Handy – leere, kann ich dich immer noch in der Luft riechen. Seit Wochen geht das nun so, egal wie viel ich vorher geraucht, gesoffen oder gekocht habe. Die Luft ist voll von dir. Ich weiß, das ist Einbildung und nicht die echte Welt. Doch es ist ein Streich, den ich mir gern spiele und ein Schwindel, den ich mit Freuden ertrage. Denn er lässt mich dir nah sein, irgendwie.

Stumm schneide ich zwei Äpfel, nehme zwei Teller, zwei Messer und zwei Gabeln, zwei Schalen und zwei Gläser. Wie selbstverständlich bereite ich Essen für zwei vor. In den Korb packe ich noch zwei Kerzen, zwei kleine und eine große Decke. Zwei Träumer, zwei Träume. Der kleine Korb füllt sich, bis zum Rand. Es wird Zeit aufzubrechen. Für die zwei von uns, die eigentlich nur einer sind – ich. Doch das macht mir heute nichts, es lohnt sich nicht, darüber nachzudenken. Es ist eine Generalprobe. Das Licht stimmt, der Ton läuft, die Tänzer sind krank. Sei es drum, ich habe Vertrauen. Auch wenn es schmerzt. 
Wieder.

Die Knochen tun mir weh, weil ich jeden Tag ohne dich verkrampft und gebückt und verdreht durch mein Leben laufe. Anspannung lässt mich ermüden, Müdigkeit nährt meine Anspannung – ich muss konzentriert bleiben, mit allen Sinnen wie ein Trüffelschwein nach dem Wenigen von dir suchen, das mir geblieben ist. Wenn ich mich zum Bett schleppe, meinen brennenden, ausgelaugten Körper auf die Matratze rolle, dann sehe ich dich im Augenwinkel neben mir liegen – du atmest tief ein und aus, ruhig, wunderfein und royalelegant. Dein Brustkorb hebt sich sanft und erhaben zum Takt deiner Lungen und deine Haut glänzt im kühlen Mondlicht wie Porzellan, Marzipan, Buttercreme. Die Umrisse deines Körpers verschmelzen mit der seichten Dunkelheit zu Wogen aus weißer und dunkler Schokolade, deine Haut knistert, wenn ich sie berühre und zerläuft zart unter meinen warmen Fingerspitzen. Dein Körper glüht wie warmer Bonbon und strahlt mir Lieblichkeit ins Gesicht. Die Luft zwischen uns riecht nach heißem Zucker und zieht wonnige Fäden, denen wir nicht entkommen können. Wir kleben zusammen, wir leben zusammen, wir liegen zusammen. Ich lüge allein.


Ich denke noch deinen Namen, doch du bist weg, sobald ich mich umdrehe und aus meinem Delirium auf die leere Bettseite neben mir starre. Ich suche dich. Der Griff zum Wasserglas erdet mich. Kalt und roh läuft es mir den Hals herunter. Im Bodensatz der Tatsachen winde ich mich im Kampf gegen den Morgen – den Magen und alle mentalen Demagogen, die mich so grausam gut beherrschen. Chapeau, ihr Teufel. Fresst euch durch meinen Körper, meine Gedanken und Erinnerungen, ihr habt allesamt nichts übrig für mich, lasst nichts übrig für mich. Außer eines blassen Echos von ihr. 
„Egal bei welchem Wetter.“

Es regnet. Im Park sitzt ein Mädchen im Gras. Tropfen für Tropfen flieht das salzige Wasser aus ihrem Gesicht vorbei an ihren Sommersprossen und springt an ihrer Nasenspitze in die Tiefe, landet im getränkten Grün. Sie ist wunderhübsch – aber düster, dunkel, traurig, einsam, verlassen, verletzt, verunsichert, verlebt, verzweifelt, verstoßen, verblendet und verliebt. 
Und dann kommt er, nass und humpelnd, mit einem Picknick-Korb. Für zwei.

„Ich hab dich wiedergefunden“, sagt er.
„Wie?“, fragt sie und weint.
„Egal wie. Und egal bei welchem Wetter“, antwortet er, lächelt sie warm an und beginnt die Wiese einzudecken. Die Regentropfen symphonieren auf dem Porzellan, perlen ab vom Marzipan und zergehen mit der Buttercreme. Egal. Egal. Egal bei welchem Wetter. 

Und als er fertig ist und aufschaut, ist das weinende Mädchen nicht mehr da. 



















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