Folks,
das ist Kapitel Zwei aus meinem Kurzroman "Wir sind am Ende." als Leseprobe. Das Buch hat weder einen Erscheinungstermin, noch einen Verlag, noch ist es fertig. In loser Reihenfolge werde ich aber in den kommenden Monaten das ein oder andere Kapitel veröffentlichen. Ich hoffe euch gefällt's und ihr habt Spaß beim Lesen. Eure Meinung interessiert mich mega! Hoch die Tassen!
________
Kapitel Zwei
Wir hatten uns vorher drei oder vier
Mal gesehen. Meistens ziemlich betrunken auf Konzerten oder Geburtstagen von
Freunden. In Wahrheit hatten wir nach dem ersten belanglosen Treffen
festgestellt, dass wir uns auf zwei Dinge ohne Wenn und Aber verständigen
konnten: Gin Tonic und Whisky Cola. Dieser Moment, wenn du einen alten Freund
eines Freundes im Huxleys völlig betrunken an der Bar triffst, seinen Namen nur
erahnen kannst und seine Freundin attraktiver als dein Date findest, schweißt
zusammen. Vor allem, wenn seine Freundin mit dir für den Rest des Abends Gin
Tonic und Whisky Cola trinkt, während er völlig fertig an der Bar lehnt und bei
jeder Textzeile die obligatorischen Zehntelsekunden zu spät die Schlagworte
schreit. Marie nahm es mit Fassung. Und mit Whisky. Als wir uns verabschiedeten
dauerte ihre Umarmung einen Moment zu lange. Und sie war einen Tick zu fest. Und
sie sagte die Worte „Bis bald“ etwas zu heiser und wehmütig. Was mir von diesem
Abend außer einem Kater blieb? Die Erkenntnis, dass sonst immer ich betrunken
an der Bar rumhänge. Für diesen Moment hatte ich alles richtig gemacht.
Als sie im Freundeskreis nach
gebrauchten Möbeln und Küchengeräten fragte, war klar, dass sie sich getrennt
hatte. Zwei Tage nachdem ich davon erfahren hatte traf ich Marie wieder. Unser
Konzert im Huxleys lag schon Wochen zurück und wir liefen uns in einem Späti
über den Weg. Bewaffnet mit Bier und Zigaretten umarmten wir uns irgendwie
ungelenk – fast wie entfernte Verwandte, die sich noch nie gesehen haben aber
trotzdem irgendwie familiär verbunden sind. Es war eine Umarmung, wie man sie
von Gandalf und dem Papst erwarten würde, weil niemand von beiden so recht
weiß, was der andere jetzt für eine Vorstellung der vermeintlich ersten und
öffentlichen – ja es war ein Späti – Begrüßung hat. Wir waren Würdenträger und
mussten unsere Würde bewahren, immerhin hatten wir unsere Glaubhaftigkeit als
hippe Großstadtgören Ende Zwanzig schon durch den Kauf von Zigaretten und Bier
unter Beweis gestellt. Jetzt galt es die Coolness zu bewahren, auch wenn es
erst kurz nach elf war, musste man auf seine Streetcredibility achten. Das heißt
im Wesentlichen: kein Lallen vor zwölf, kein Stolpern wo Laternen sind und um
Gottes Willen nichts im Späti runterfallen lassen, weil man sich freut jemanden
zu sehen. Du freust dich mit vier Bier im Arm nicht jemanden zu sehen. Und wenn
doch, dann stell das Bier ab bevor du jemanden umarmst.
Die erste Flasche
schlug zwischen meinen Beinen ein. Sofort waren meine Schuhe tropfnass. Während
ich bemerkte, dass sich gerade ein Unheil zwischen meinem und ihrem Körper
zusammenbraute, schlug die nächste Flasche auf dem Boden des Spätis auf.
Aufgeschreckt fuhr Marie zurück, doch ich konnte sie gerade noch halten, um das
Abrutschen der nächsten Flasche zwischen meinem Arm und ihrer Jacke zu
verhindern. Der Rest war eine traurige Zirkusnummer. Ich spürte, dass, egal wer
von uns beiden sich nun bewegen würde, mir immer eine meiner zwei verbliebenen
Flaschen zwischen Arm und Bauch an der wunderbar glatten
Kunstfaserplastikoberfläche meiner Jacke weg rutschen würde. Das Wort Dilemma
beschreibt es also ganz gut. Ich hatte eine wunderschöne, mir fast fremde Frau
schon viel zu lange im Arm. Das wurde nun langsam peinlich. Andererseits konnte
ich mich nicht dazu durchringen, auch noch die anderen beiden meiner 85 Cent
teuren Babys auf die Fliesen klatschen zu lassen. Stattdessen versuchte ich
ruhig zu atmen, um Marie die Situation zu erklären. „Okay, kein Problem. Wir
schaffen das. Kennst du den Luftballontanz, so machen wir‘s jetzt. “, sagte sie
und blickte zu mir auf. Sie war viel kleiner als ich und ihre Haare rochen nach
Sheabutter und Tabak. Und zwischen unserem Auflachen und der Überzeugung, sie
könnte tatsächlich Recht haben, leckte sie mir über die Wange.
Die Bierflaschen zwischen uns
zerschellten auf dem harten Boden der Realität im Spätkauf am Ostkreuz und
hinterließen dicke Kerben in den angegilbten Fliesen. In Filmen wird so eine
Benommenheit ja immer mit einem sich drehenden Strudel dargestellt, völliger
Quatsch. Ich hatte tatsächlich einen Sekundenblackout. In dem Moment, als ihre
Zunge über meine Wange leckte, funktionierte mein Kopf wie eine Sicherung. Aus.
Alles auf Anfang. An. Aha, so ist das also gerade gewesen. Ich blickte Marie an
und schob die Scherben von vier Flaschen Bier mit dem durchnässten Schuh
beiseite. Der Typ von der Kasse schlurfte wortlos mit einem Handbesen und
Kehrblech in unsere Richtung. Von wegen in Berlin sind alle unfreundlich. Sie
sah mich an, wir hatten nur noch unsere Zigarettenschachteln in den Händen,
kein Bier stand zwischen uns. Schlurfende Geräusche vom Spätimann waren unsere
Symphonie. Und in dem Moment, in dem ich auf ihre freche und völlig
attraktiv-erotische Handlung des Über-Die-Wange-Leckens mit einem Kuss auf ihre
Stirn antwortete, fühlte ich mich wie Sean Connery in einem seiner Bond-Filme:
eigentlich schon cool, aber eben von vorgestern.
Marie nahm es mit Fassung. Und
mit Whisky. Wir kauften zwei Schachteln Zigaretten, vier kaputte Flaschen Bier
und eine Flasche Daniels. Auf dem Heimweg liefen wir nicht Hand in Hand, aber
beide in dieselbe Richtung.
Sehr gut & danke fürs teilen! Deine art zu schreiben startet einen unscharfen film mit viel emotion in meinem kopf, das mag ich. gerne noch ein kapitel
AntwortenLöschennur "Dieser Moment, wenn du einen alten Freund eines Freundes im Huxleys völlig betrunken an der Bar triffst, seinen Namen nur erahnen kannst und seine Freundin attraktiver als dein Date findest, schweißt zusammen." hat mich irritiert, dieser moment (..) schweißt zusammen, fand ich an der stelle komisch.