Mittwoch, 20. April 2016

text /// Riesen.


Und wenn alle Frauen auf der Welt Bands wären, dann wäre sie Death Cab For Cutie. Weil ich sie seit Jahren kenne und wann immer ich sie sehe, meine Welt ein Stückchen kompletter wird. Und weil mich alles was ich von ihr höre in Watte packt und ruhig schlafen lässt. Selbst wenn ihre Worte schmerzen und mir so lange die Beine brechen, bis ich auf dem Boden angekommen bin. Am Ende steht die Heilung – irgendwann. Mit jedem Wort flirrt Hoffnung und Zuversicht durch den Raum. Wenn wir uns ein paar Tage oder Wochen nicht sehen, uns dann über den Weg laufen, dann fühlt es sich an wie eine Rückkehr an Omas Abendbrottisch – vertraut und heimelig, wie ankommen nach einem langen Fußmarsch durch die endlosen Kiefernwälder in Brandenburg. Mit einem leeren Pilzkorb zwar, aber der Gewissheit, dass mit Liebe aufgetischt wird. So fühlt sich das an. Wenn sie eine Band wäre, dann wäre sie Death Cab For Cutie.


Und an manchen Tagen würde ich ihr gerne „ I need you so much closer“ ins Gesicht brüllen, an ihr verdrecktes Fenster schreiben oder mit Wackersteinen von der Baustelle nebenan ein Ausrufezeichen vor ihrer Haustür auftürmen, groß bis zum Balkon im dritten Stock mit einer Fahne oben drauf. Einer Fahne mit dem Auge Saurons hinter einer Nickelbrille, um ihr zu zeigen wie ernst es mir ist. Ich würde den Dunklen Herrscher herausfordern, wenn es denn sein müsste. Und ich würde ihr in die Dunkelheit folgen. Mit Death Cab For Cutie in den Kopfhörern. Die Lautstärke aufgedreht bis zum Anschlag, mitsingend, pfeifend, würde ich durch die Einöde spazieren. Einfach so, ohne nach dem Grund zu fragen, der sie hier her getrieben hat. Weil Fragen nach dem Wieso keinen Wert für uns haben. Uns interessiert das Wofür. Für alles, für das es sich lohnt zu leiden. Schon immer. Denn alles andere ist am Ende wertlos und entbehrbar. Und wenn sie ihr Weg nach Barad-dûr führt, dann hat sie einen Grund. Also habe ich auch einen. „I need you so much closer!!!“ tippe ich mit drei Ausrufezeichen auf das schmierige Display meines Telefons. Morgen schicke ich die Nachricht vielleicht ab.

Wir hatten schon immer unterschiedliche Namen für die gleichen Dinge. Haben uns zerfleischt und gezerrt bei der Definition von Lust und Hass und Krieg und Freundschaft und in welcher Reihenfolge Pizza belegt werden muss. Am Ende haben wir uns meist blind in der Mitte getroffen und waren beide Stolz auf uns und nur ein bisschen verwundet – unser Friendly Fire sorgte immer nur für kurzen Schmerz, kleine Narben und heldenhafte Geschichten. Denn Versöhnen und Umarmen gibt mehr Wärme und Sicherheit als der Lauf einer Waffe. Und mit ein wenig Abstand sahen wir beide für den Rest immer wie Riesen aus, wenn wir nebeneinander standen und warmen Champagner aus Plastikbechern tranken. Classy – Scheiß drauf. Kohlensäure – Scheiß drauf. Gurke im Gin Tonic – auf jeden Fall. Luxus muss sein, aber so wie wir ihn wollen. Und wenn ich in den Strohhalm puste und die Kohlensäure frech aus ihrem Drink blubbert während sie auf der Toilette ist, steigen die Bläschen auf und bilden Wörter am Rand des Glases: „I need you so much closer!“ – und die Gurke schwimmt im Kreis und pfeift die Melodie.

Sie gibt mir ein High-Five vor jeder neuen Weggabelung, die mich verzweifeln lässt. Und ich reiche ihr stets die Hand, wenn sie strauchelt. Und nebenbei spielt das Leben am Klavier leise Songs in Moll. Und wir sind nicht mehr die Betrunkensten an der Bar, das übernehmen nun andere für uns. Die Menschenmühle bedienen wir schon gut genug um uns im Kreis des Mahlwerks nur noch selten auf die Füße zu treten. Sie denkt über jeden Schritt nach, um nicht zu stolpern, wird vorsichtiger mit meinen Hacken und Zehen. Weil sie sich nicht mehr sicher ist, ob ich immer noch bedingungslos mitstolpern würde, ob ich ihr auch in Zukunft die Hand reiche. Natürlich würde ich. Und ich hoffe sie weiß das wieder irgendwann, weil ich es nur schwer sagen kann. Sie ist Death Cab For Cutie für mich – and I need her so much closer. High-Five, auf alles was kommt!


The distance is quite simply much too far for me to row.
It seems farther than ever before.
I need you so much closer. So Come On.

Death Cab For Cutie - Transatlanticism




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen