Montag, 31. Dezember 2012

blog /// Nie mehr 2012. Das ist so Old-School.


Überall sieht man Jahresrückblicke, schmalzige Bilder und Erinnerungen an 2012. Und weil man sich dem nicht verschließen kann, gibt es von mir auch einen Rückblick, eher eine Zusammenfassung in Listen. Macht euch also bereit für

ANTONS-TOP-MOST-WANTED-2012-UNGLAUBLICHKEITS-LISTEN. 

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr und einen ganz und gar wunderfeinen Abend. Vielen Dank für eure kreative Unterstützung, die klugen Ratschläge und das ehrliche Feedback in den letzten sechs Monaten. 2013 wird groß, das verspreche ich euch, Wir sehen uns drüben!

Cheers, Anton.


ALBEN IN DAUERSCHLEIFE

1. PEASANT – Bound for Glory
2. 1000 GRAM – Ken sent me
3. THE LUMINEERS – The Lumineers


SONGS IN DAUERSCHLEIFE

1. CRO – Einmal um die Welt
2. LUKAS GRAHAM - Drunk in the Morning
3. THE LUMINEERS – Flowers in your hair


ÜBERRASCHUNGSENTDECKUNGEN

1. DANIEL AHEARN
2. THE CHEVIN
3. HOLMES
4. CODY
5. HONIG


BESTE LIVESHOWS

1. DAN MANGAN – Lido 
2. ALCOHOLIC FAITH MISSION – Haldern Pop
3. THE FOG JOGERS – Magnet
4. BAND OF HORSES – Admiralspalast
5. LUKAS GRAHAM – Cassiopeia


SOMMERLIED

1. WALK THE MOON – Anna Sun


KINOBEGEISTERUNG


1. DER HOBBIT
2. PROMETHEUS
3. 3 ZIMMER/ KÜCHE/ BAD


KINOENTTÄUSCHUNG

1. JAMES BOND - SKYFALL


BESTES BUCH

1. MUSIC FROM BIG PINK - John Niven
2. EINE ZU 85% WAHRE GESCHICHTE - Chuck Klostermann
3. FISH - T.J. Parssell


ENTTÄUSCHENSTES BUCH

1. RUHM - Daniel Kehlmann


SCHLECHTESTE PARTY

1. JÄGERMEISTER WIRTSHAUS TOUR BERLIN - Edelweiss


LIEBLINGSSERIEN

1. ENTOURAGE
2. NEW GIRL
3. CALIFORNICATION (immernoch)


NEUE LIEBLINGSKNEIPE

1. ZAFFKE


Prost!














































Freitag, 28. Dezember 2012

text /// Vom Sinn. Betrunken.


"Ein Zoo ist auch nur wie Fernsehen, da ist nichts echt. Ein Zoo ist der Inbegriff von menschlicher Herrschaft über die Natur."
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Und sie reden betrunken über den Sinn. Den Sinn von GEZ-Gebühren. Den Sinn von Preiserhöhungen bei der S-Bahn, obwohl bei Hitze oder Kälte reihenweise Züge ausfallen. Sie reden über den Sinn von Studiengebühren und den Sinn von Bubble Tea. "Bubble Tea macht Krebs", sagt sie und nippt an ihrem Bier. "Ich hab das bei Galileo gesehen. Das sollte verboten werden." Er nickt bedächtig und schaut auf die Anzeige der U-Bahn. "Noch drei Stationen." Sie blickt gedankenverloren in das Schwarz des Tunnels, der am Fenster neben ihnen vorbei zieht. "Weißt du was auch keinen Sinn macht?", fragt sie nach kurzem Überlegen. Er legt seine Füße auf den Sitz und nimmt ihre Hand. "Es macht keinen Sinn Tiere in Zoos zu halten, das dient einfach nur der Belustigung von Menschen, die nicht den Arsch in der Hose haben etwas zu wagen und zu reisen, sich Tiere in freier Natur anzugucken. Ein Zoo ist auch nur wie Fernsehen, da ist nichts echt. Ein Zoo ist der Inbegriff von menschlicher Herrschaft über die Natur. Wir können alles anpflanzen, anzüchten und künstlich in Gehege sperren. Aber echt ist das nicht. Ich meine so richtig echt." Er umschließt ihre Hand mit allen Finger und drückt sie an seinen Oberschenkel. Noch zwei Stationen. 

"Ich hasse es, dass so viele Menschen ohne Sinn leben. Ohne Sinn für das Einfache, das Eigene und das Wertvolle. Das Einfache wird nicht mehr wertgeschätzt. Es ist normal geworden. Alles ist normal geworden. Es gibt für die meisten Menschen nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnt, weil es einmalig ist. Wir können immer alles haben, wann und wo wir wollen. Wir können jeden Tag in den Zoo gehen und uns Pandabären angucken, obwohl die fast ausgestorben sind. Wie soll man gegen das Aussterben von Pandabären kämpfen, wenn man sie sich jeden Tag ansehen kann, in Gefangenschaft, hinter Gittern und Zäunen? Macht das Sinn? So vieles macht keinen Sinn." Sie trinkt einen großzügigen Schluck, streicht mit ihrer Zunge über ihre bierfeuchten Lippen und vergräbt ihren Kopf zwischen seiner Schulter und seinem unrasierten Hals. Er neigt seinen Kopf zu ihr, streichelt ihr zärtlich mit der Hand von der Schläfe über die Wange bis zum Kinn und lächelt. Sie seufzt und vergräbt sich weiter in seinem schützenden Oberkörper, müde und zufrieden schließt sie die Augen. "Weißt du", sagt er, "ich habe verdammt nochmal keine Antworten auf deine Fragen. Aber wenn etwas Sinn macht, dann ist es hier mit dir betrunken in der U-Bahn zu sitzen. Und das macht mehr Sinn als jeder auf der Welt erwarten kann. Du machst für mich Sinn." Noch eine Station.

Dienstag, 11. Dezember 2012

text /// Heimatbesuch.


Finde mich am Grill wieder, endlose Gespräche später. Arbeit, Freundin, Wohnung, Zukunft, Auto - Patrick Bateman fehlt mir hier ein wenig.
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Passiere das Ortseingangsschild. Schön gelb in der Herbstsonne. War schon lange nicht mehr hier und erkenne doch alle Bäume, jeden Briefkasten und Straßennamen. Autoradio ist laut und der Fahrtwind weht durchs offene Fenster, Zigarette an.

Bei Mama gibt es Roulade und Salzkartoffeln. Gemüse hat sie vergessen zu kaufen und auf den Sonntag bekommt man hier auch keines mehr, meint sie. Da hätte ich es in der Stadt ja besser. Wobei, der ganze Verkehr wäre ja auch nichts für sie. 'Nein, nein. Dann ohne Gemüse', sagt sie und setzt sich. Das Aquarium blubbert leise, im Wohnzimmer knackt der Kamin. 

'Und wann fährst du deine Freunde besuchen', fragt Mama. 
'Gleich nach dem Mittagessen, gibt dann Kuchen, bin sowieso schon spät dran.'
'Achso, bestell Grüße.'
Die Rouladen sind hier die besten der Welt. Zu Hause. 

Die Hoftür ist offen. Im Garten hinter dem Haus haben sich alle versammelt. Auf dem Tisch steht Kuchen und Bier. Irgendwo riecht es nach Kaffee. Der Grill zieht dichte Rauchschwaden über die Terrasse. Musik kommt aus Lautsprechern, die in die offenen Fensterrahmen gestellt wurden. 

'Da bist du ja, schön dass du es geschafft hast. Er freut sich sicher, dass du hier bist.'
Begrüßungsfloskeln nehmen ihren Lauf. 'Jahrelang nicht gesehen', Interesse, geheuchelt und real, kaum zu unterscheiden bei all der Glückseligkeit die auf der Wiese herrscht. Vater drückt mir Bier in die Hand, eine Tante umarmt mich und riecht nach zu viel Parfum. Beide sind alt geworden. Händeschütteln, Umarmungen - überall Menschen die mich lange kennen. Der Segen des Lebens fernab der Stadt. Anonymität adé. 

Gerede.

Dienstag, 4. Dezember 2012

text /// Leere Bilderrahmen.


Wer durch Türen geht, lässt immer etwas zurück.
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Du hängst an meiner Wand in einem Bilderrahmen. Zwischen dir und der kalten Mauer ist nur Luft, durchzogen von einem dünnen Nagel, der dich zu tragen versucht. Wir haben diesen Bilderrahmen gefüllt. Sind über die Straßen und Plätze unserer Stadt gerannt, durch die Küchen und Schlafzimmer unserer Altbauwohnungen, durch Konzerthallen und Nachtklubs, über Festivals und Spreebrücken, in Bars und Kneipen und Parks und U-Bahn-Stationen. Und wir sind gerannt und gerannt, um möglichst viel von diesem Bilderrahmen zu füllen. Geschichten, Bilder und Momente bemalten das weiße Stück Papier hinter der dünnen Glasscheibe in feinen Zügen mit rot, grün und blau und gelb. Wir haben unsere Erden umsegelt und sind auf unseren Monden gelandet, haben gemeinsam Monstern ihre Herzen herausgerissen und betrunken Lieder gesungen. Und das weiße Blatt füllte sich.

Wir haben immer mit dem großen Löffel vom Leben genascht, über unsere Verhältnisse gelebt und die Morgen verflucht und bewundert, während wir ehrfürchtig vor den angelehnten Türen standen, hinter denen es unheilvoll verführerisch glänzte. Gierig breiteten wir die Arme aus um alles einsammeln zu können, was uns die Regale unserer Zeit boten, saugten es in unsere hirnlosen Köpfe und verschlossen es in Bilderrahmen an unseren weißen Wänden. Sorglos taten wir so, als würden uns die angelehnten Türen nicht interessieren und der Stillstand der Uhren war unser Zeuge. Überwältigt vom Leben und Lieben aber bemerkten wir nicht, wie nicht wir uns zu den angelehnten Türen bewegten, sondern sie sich zu uns – stets fast unbemerkbar mit kleinen Schritten, machten sie von Zeit zu Zeit einen großen Satz in unsere Richtung und engten unsere Rastlosigkeit ein.

blog /// Bloglovin'


Hier gibts ab jetzt auch Blogger-Connections und so. Gute Nacht, Anton.

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Mittwoch, 28. November 2012

text /// Der Gingko-Tee-Mann. Ich hasse ihn.


Gestern in der Bahn habe ich dich getroffen. Du bist alt geworden. Und langweilig. Und du riechst neuerdings nach Gingko-Tee.
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Ich sehe dich in die Bahn steigen. Mein Puls zerkocht mir die Adern wie dünne Fäden aus Butter. Bitte, sieh mich nicht an. Doch dein Blick schweift kopfgeldjägergleich durch die Bahn und bleibt letztlich an mir hängen wie Scheiße. Genau das ist auch mein Gefühl. Ich versuche noch einen Ausweg zu finden, Türen schließen gerade, Fenster abgeschlossen. Bleibt der Nothammer und ein bourne'scher Sprung auf die Gleise, Hechtrolle um dem entgegenkommenden Zug auszuweichen und ein verschmitztes Lächeln. Dein selbstverliebt-debiles-pseudo-ichbinmitderWeltimReinen-Grinsen wackelt auf leisen Korksohlen in meine Richtung. Kacke! Kacke! Kacke, denk ich noch, ich nehme den Sprung aus dem Fenster auch ohne das Ausweichmanöver und lass mich einfach platt walzen. Hauptsache hier weg. Du hast mich fast erreicht und winkst mir spröde zu. Am Liebsten würde ich gern mit allen Vieren um mich treten und zappeln wie eine Spinne auf der heißen Herdplatte. Dazu würde ich Geräusche wie eine werfende Kuh auf Helium machen und dich mit einem gleißenden Strahl Arschsaft von oben bis unten bestuhlen. Aber das wäre unpassend in Anbetracht der anderen Fahrgäste, denke ich. Und wo sollte ich jetzt so viel Stuhl herbekommen, ist doch Kacke alles.

„Noa? Alles klaro?“ giftest du mich ruhig an und deine Stimme wirkt, als hätte man es tatsächlich geschafft, diese fetten Ghettoblaster aus den Achtzigern mit nur einer halbaufgeladenen AAA-Batterie zu betreiben: immer kurz vorm Abseiern, aber Buchstabe für Buchstabe geht da noch was. Gott ich will nur nach Hause, wieso kann ich die Hölle nicht umfahren? Und seit wann liegt die Hölle zwischen Steglitz und Wedding? Ein Geruch von Gingko-Tee und Biobaumwolle steigt atompilzartig auf und nistet sich im Abteil ein. Riechen so die Lager von Atomgegnern? Früher warst du einfach nur Torben. Heute bist du der Gingko-Tee-Mann. 

Dienstag, 20. November 2012

blog /// ICH HÄNG' AN DIR!


Mahlzeit! 
Die Shootingbilder feiern heute Premiere. Und weil das so ist, draußen die Sonne fast scheint und gute Laune wichtig ist, verlose ich unter allen Leuten die dieses Fotoalbum auf Facebook teilen einen Beutel nach Wahl mit wundertollem Überraschungsset. Besser kann ein Dienstag doch nicht laufen, oder?

Anton.






blog /// "13 Fakten über..."


Beim großartigen Projekt Projekt 13, das ich euch wärmstens ans Herz legen möchte, wurde ich als einer der Co-Autoren vorgestellt. Anlässlich der "13 Fakten über..."-Reihe könnt ihr hier nachlesen, was ich so über Hobbits, Duschensingen und Sex denke. Ehrlich, alles wahr. 



Freitag, 16. November 2012

text /// Eure Geschichten.


Und wenn ich so dasitze, auf euren Balkonen, dann habt ihr so verdammt viel zu erzählen.
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Und wenn ich so dasitze, in euren Wohnzimmern. Dann stelle ich mein Bier ab, blicke raus in den Garten und bemerke, wie groß doch der Apfelbaum geworden ist. Ihr habt alle so viel zu erzählen. Von den Problemen der Nachbarn, vom besten Freund in der Schule, vom letzten Telefonat mit Geschäftskunden. Kleinstadtgewäsch und ich habe Verständnis dafür. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das freut euch.

Und wenn ich so dasitze, in euren Küchen und meinen Kaffee schlürfe und mein Blick auf die Betonfassade gegenüber fällt, die Jahr um Jahr vom Efeu berankt grüner und frühlingshafter wirkt, dann habt ihr alle unendlich viel zu erzählen. Von euren erfüllten Lieben und den kleinen Problemen, vom Stress auf der Arbeit und dem Kreativsein. Gute Gespräche über euch, die ich gerne führe. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das wisst ihr doch.

Und wenn ich so dasitze, auf euren Balkonen und den Kopf in den Wind halte, jeden Bus zähle, der unten vorbeifährt, meine Zigarette anzünde und Zug um Zug euren Geschichten ein Nicken und eine Anekdote beisteuere, dann habt ihr so verdammt viel zu erzählen. Ihr erzählt von euren lieblosen Affären, euren brüchigen Lieben und eurem alltäglichen und essentiellen Schmerz. Es wird geweint, es wird gelacht, es wird gefloskelt. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das ist euch klar.

Donnerstag, 1. November 2012

text /// Pathos


Eine Rückkehr zum Uterus des Lebens.
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Und plötzlich stehen sie vor der Tür und kommen freudestrahlend in die Wohnung. Meine Eltern und Geschwister, alle meine Freunde seit dem Kindergarten, Arbeitskollegen, Nachbarn, Friseure und Bankberater. Alle meine Hausärztinnen und Supermarktkassierer, die Postboten und unbekannten Liebschaften, One-Night-Stands und Bettgeschichten. Sie haben Blumen und Geschenke dabei, meine besten Freunde haben gekocht und die Musik trägt Leben durch meine lichterfüllten Zimmer. Es riecht nach Äpfeln und Koriander, auf dem Balkon wird Gras geraucht und zieht in seidenen Schwaden durch die Sonnenstrahlen. Meine toten Verwandten schneiden Bleche voller Kuchen mit silbernen Messern und tunken Zuckerwürfel in schwarzen Kaffee. Es wird gelacht. 

Ein jeder erzählt Geschichten über die Vergangenheit und schon bald halten sich meine Neffen und Nichten die Bäuche, gespannt vom Zuhören und überzuckert vom herrlichen Erdbeergelée. Meine Mutter trägt eine große Platte mit Bouletten und Senf durch die Wohnung, meine Jugendfreunde trinken mit meinem Vater Bier und blicken verstohlen zwischen ihren Frauen und der Fussballübertragung hin und her. Im Esszimmer verschlingen dicke, goldbehangene Tanten Käsekuchen mit Sahnehauben und Cocktailkirschen, der Tee dampft und das Schmatzen ist bis in den Hof zu hören.

Dienstag, 30. Oktober 2012

blog /// +++Sneak-Preview / Beutelshooting+++


Wir haben das Shooting erst verschoben, dann war es verregnet und letztlich haben wir uns verliebt.
In alle Menschen vor und hinter der Kamera. Ein großes Dankeschön an den geduldigen Einsatz von Sarah, Jule, Nova, Juju, Marcus und Julian. Die komplette Sneak-Preview seht ihr hier:




Sonntag, 21. Oktober 2012

blog /// Beutel-Alarm & Shooting-Pläne.


Du meine Güte, die Beutel sind da und wollen raus auf die Straße. 
Und wo wir schon mal davon reden:

ACHTUNG! ACHTUNG!

Am nächsten Freitag wird es in Berlin ein kleines Shooting geben und ein paar Schultern sollen behangen werden. Wenn ihr jemanden kennt oder selbst Lust habt dabei zu sein, meldet euch gerne. Als Gage winkt ein Gratis-Beutel sowie Bier und ein Vormittag voller Spaß mit freundlichen Menschen. Und Ehre, natürlich. 

Wenn das nix ist! 

Einen feinen Sonntag, Anton.






Sonntag, 14. Oktober 2012

text /// Unsere Seiten des Bettes.


Das ganze erinnert an die perfide Szenerie, ein Hotelzimmer mit Doppelbett gebucht zu haben, aber nur für eine Seite des Bettes zu zahlen.
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Ich liege immer auf der rechten Seite in meinem Bett. Und obwohl ich niemanden mehr erwarte, habe ich mir das wohl so angewöhnt. Ich spüre den kalten Luftzug des offenen Fensters im Rücken und schaue mit glasigen Augen der fahlen Glut meiner Zigarette zu, wie sie leise knistert und schließlich, Stück für Stück, in den vollen Aschenbecher fällt. Ich reibe mir die Augen, nippe am Whisky und fühle mich wie ein schlechter Hank Moody.

Die zweite Decke liegt akkurat zusammengelegt neben mir auf der anderen Seite des Bettes. Das Kopfkissen ist unberührt. Das ganze erinnert an die perfide Szenerie, ein Hotelzimmer mit Doppelbett gebucht zu haben, aber nur für eine Seite des Bettes zu zahlen: sobald ich die andere Seite des Bettes benutze, muss ich dafür aufkommen. Doch das kann ich nicht. Nicht jetzt.

Ich lasse den Tabak verglühen, ohne noch einmal am Filter zu ziehen, trinke das Glas in einem Zug leer und schließe die Augen. Die Kerze flackert ruhig.

Mein Kopf wird schwer, ich spüre wie es warm meinen Hals hinunterzieht. Der dicke Tabakrauch scheint trotz der kalten Nachtluft um mich herum wie ein Schleier in der Luft zu schweben. Ich verliere für einen kurz Moment mein Gleichgewicht und falle metertief durch graue Nebel und wabbernde Luft, schlage hart auf und presse meinen Kopf tiefer ins Kissen.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

blog /// Den Teufel will ich tun. Tschüss, Nils Koppruch.



"Den Teufel will ich tun, sang dieses Mädchen, an diesem schwarzen Tümpel will ich knien. Wenn alle anderen fürchten oder tot sind, setz ich meinen letzten Mut auf's Spiel." (Nils Koppruch, "Den Teufel tun")


Keine Geschichten, keine Bilder heute. Nur der Abschied von einem der größten Poeten der deutschen Musikkultur. Wer Nils Koppruch als Musiker kennt, weiß, dass die einfache Wortgewalt seiner Texte und die schier erdrückende Ehrlichkeit in jedem Wort aussergewöhnlicher Natur waren und sind. Ein Großer, der leider nie als groß wahrgenommen wurde, fehlt jetzt.

Tschüss, Nils Koppruch.





Sonntag, 7. Oktober 2012

text /// Meine siebzehn Sekunden mit mir.


Oder: Die Gedanken sind frei. Und dabei soll es auch bleiben.
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Du kommst ins Bett und klemmst deine kalten Füße zwischen meine Beine, ziehst dir die Decke bis zum Kinn. Mein nun blanker Arsch spiegelt sich im Fenster, die Tauben lachen. Ich kratze die linke Backe.

"Was denkst du?", stellst du die Frage aller Fragen und ich beiße mir innerlich nicht nur auf die Lippen, sondern auf alle Schlaufen und Windungen von Dick-, Dünn- und Enddarm um nicht sofort mit der Wahrheit herauszuplatzen. Das erklärt die plötzlichen Bauchschmerzen. Ich drehe mich zum Fenster und vergrabe den Kopf im Kissen.

'Ich denke daran, welches Outfit ich tragen würde, wenn ich ein Superheld wäre und ob ich lieber für die Guten oder die Bösen kämpfen würde, welche Superkräfte ich gerne hätte und ob ich mir einen Lakaien zulege oder nicht - letztlich finde ich Alfred schon ganz cool. Ich denke an mein Auto und den nächsten TÜV-Termin. Ich denke darüber nach, wie Dortmund das Spiel gestern Abend doch noch aus der Hand geben konnte und wann Löw endlich zurücktritt und wer danach Bundestrainer werden könnte. Vielleicht Klopp oder mal ein Ausländer? Ich denke an Lina aus dem Büro, die mir eigentlich gestern schon die Verträge rüber schicken wollte. Dumme Schlampe. Björn aus der Online-Abteilung meinte, dass sie leicht zu haben wäre und der Nottmeier aus dem Dritten wohl was mit ihr hatte. Der Drecksack. Ich denke daran, dass morgen Samstag ist und ich noch den Kasten Berliner Pilsener im Angebot kaufen will, immerhin spare ich da nen paar Euro. Ich denke an die offenen Rechnungen auf dem Küchentisch und den Besuch deiner Eltern am Sonntag. Dein Vater trinkt kein Berliner, also denke ich hoffentlich morgen daran noch nen Sixpack von der Pisse zu holen, die er trinkt: Becks. Typisch Wessi. Ich denke an Markus, Tom und Jannes die jetzt gerade in den Alpen Steilwände hochklettern und lebensmüde über Abhänge hangeln. Ich denke an die beschissene DHL, weil das Päckchen mit FIFA13 für meine PlayStation immer noch nicht da ist und sollte es morgen kommen, hätte ich erst Sonntag Zeit zu spielen, aber dann sind deine Eltern da und dann kann ich mich wohl schlecht vor den Fernseher hocken. Das ist scheiße. Ich denke an die gestiegenen Stromkosten und die Lage in Syrien, und ich denke an Peer Steinbrück, mit dem kann die SPD jetzt schon einpacken.'

Montag, 24. September 2012

blog /// Neue Motive! Neue Pläne!


Juhu...die neuen Motive sind da. Im Oktober gibts dann neben neuen Stickern auch höchst erstmalig und mit großem Prämierentamtam endlich die ersehnten Beutel. Die kosten dann nen schmalen Taler und warten auf euch. Info's folgen, nun aber erstmal Lieblingsmotiv aussuchen und 'liken'.

Alle neuen Motive findet ihr in meiner Facebook-Galerie

Danke sehr, Anton


Donnerstag, 20. September 2012

text /// Industrieromantik


Romantik liegt mir nicht, doch dieses Bild aus Beton und Stahl und Holz und Rauch und wilden Lichtern und den Regenwolken...
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Die Türen der S-Bahn schließen sich hinter mir. Ich zünde mir eine Kippe an und steige mühsam die Treppenstufen nach oben. Die Luft ist kühl, ich bin kühl. Kein Gefühl in mir. Nur das leise Knistern des Tabaks, der vor meiner Nase verdampft. Jeder Zug bringt mich ein Stück näher. Ein Stück näher zur Brücke über mir, ein Stück näher nach Hause. Penner liegen in der Vorhalle und schlafen. Es riecht nach Pisse und Bier, kaltem Suffschweiß und den räudigen Hunden, die sich wie Maden zwischen ihren Herren suhlen. Diese Sommernacht ist kalt, in all ihrem laternenschwarzen Glanz – in ihrer Einöde zwischen Beton und dem Leben darauf.

Ich stelle die Dose Bier, halb voll, auf den Rand des Mülleimers am Ausgang und ein kühler, frischer Wind weht mir entgegen. Spott habe ich für ihn übrig, nichts als Hohn und zynische Blicke. Die Nacht verkauft sich als Frische wie der Wolf sich im Schafspelz tarnt. Nichts an diesem Ort ist frisch, außer der Erkenntnis, dass es aus diesem Ort kein Entrinnen gibt, für das es sich zu leben lohnt. Ich laufe über die Brücke, unter mir rattern und scheppern die Güterzüge. Über mir ziehen dichte Wolken ihre Schlinge um den Abendhimmel fester, sodass sich die Lichter der Stadt in ihnen verlieren. Ich halte kurz an, lehne mich mit dem Rücken an das Geländer und blicke über das in orangerotes Licht getränkte Industriegebiet – mit all seinen Gleisen und Straßen, Lagerhallen und Kühltürmen. Industrieromantik bei Nacht, ich bin dir verfallen. Romantik liegt mir nicht, doch dieses Bild aus Beton und Stahl und Holz und Rauch und wilden Lichtern und den Regenwolken, die sich aus Osten wie schwarzer Rasierschaum über den Himmel schieben, beruhigt mich und lässt mich hoffen – alles bewegt sich, wenn auch langsam.

Dienstag, 11. September 2012

text /// Am Boden. Zweiter Teil.


Ich wische mir, immer noch in derselben embryonalen Haltung ausharrend, den Schleim von der Nase und versuche klar zu denken.

Als ich wieder zu mir komme, klebt meine Wange am körperwarmen Fußboden fest. Ein sabbriger Faden hängt mir über der Nase. Es riecht bitter und sauer, warm und beißend. Ich schmecke nichts, aber das ist vermutlich besser so. Mein Mund ist noch trockener als das letzte Mal bei Bewusstsein. Ich spüre meine Zunge nicht mehr. Mit einem kurzen gluckern und glucksen teste ich, ob ich überhaupt noch über so etwas wie einen halbwegs funktionierenden Überbau auf meinem Hals verfüge.

Habe ich. Ich habe einen Kopf, ich habe auch eine Stimme. Mein Hals fühlt sich an, als hätte ich eimerweise Sand und Kiesel in mich hineingeschüttet und dann mit einem Heißluftgebläse an der Innenseite meiner Speise- und Luftröhre zu einem sandpapierartigen, breiigen Wandbelag getrocknet. Ein Königreich für ein Glas Wasser, denke ich. Ich wische mir, immer noch in derselben embryonalen Haltung ausharrend, den Schleim von der Nase und versuche klar zu denken. Ich bin aufgewacht, zweimal wieder umgefallen und nun wieder aufgewacht. Eine Erfolgsausbeute wie ein pickliger, siebzehnjähriger Naturwissenschaftler auf Frauenjagd in der Dorfdisko, denke ich. Anscheinend hab ich also wieder hier gelegen. Ich kneife meine Augen zusammen, obwohl um mich herum alles schwarz ist. Angestrengt vom Konzentrieren beginnt mein Kopf zu pulsieren. Wellenförmig breitet sich der Schmerz von rechts nach links und wieder zurück in meinem Kopf aus. Nachdenken. Erinnern. Kombinieren. Kombinieren erscheint mir das Einfachste. Ich kombiniere also: ich liege, vermutlich einmal von oben bis unten mit Schleim und Exkrementen überschüttet, auf hartem Stein, oder Fliesen. Mit meinem Kopf liege ich auf jeden Fall in Exkrementen, die Konsistenz lässt auf Kotze oder Durchfall schließen. Ich entscheide mich für die Kotze, es riecht einfach nicht nach Kacke. Mein Kopf tut weh. Meine Hand tut weh. Meine Eier tun weh. Eigentlich tut alles irgendwie weh, sobald ich einen Muskel anspanne ziehen alle anderen aus Solidarität mit und durchziehen mein komplettes Nervensystem mit abertausenden Schmerzmeldungen, vom Haaransatz bis zum Zehennagel. Ich schließe die Kombination ab.

Mittwoch, 5. September 2012

text /// Andauernd.


Tütensuppen machen nicht satt. Auf Dauer.
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Schweigend saßen sie sich gegenüber. Seit Wochen schon. Ihre verknoteten Leben waren wie eine Tütensuppe: auf viel Dünnes kommt wenig Substanz, ab und zu ein nahrhafter Fleischklops, der die ganze Sache schmackhaft macht. Ansonsten ein paar bunte Gemüsemomente und matschige Nudelanekdoten. Dazwischen salziges Wasser. Mit ekligen Fettaugen. Das sieht für Zuschauer annehmbar aus, macht den Esser aber nicht satt. Auf Dauer.

„Weißt du, du bist ein Teil von mir. Ich liebe dich“, hatte sie mal gesagt. „Liebst du mich?“
Nachdenklich legte er den Kopf zur Seite, biss auf seiner Unterlippe hin und her.
„Weißt du, ich hasse mich“, antwortete er damals. „Wie kann ich dich da lieben, wo ich doch ein Teil von dir bin?“

Seitdem schweigen beide, die Hände des Anderen fest im Griff, den Blick zu Tränen gerührt und müde auf das Messer in ihrer Mitte gerichtet. So verkümmerten sie und wurden mager und gebrechlich, nicht mehr in der Lage zu fühlen und zu leben. Tütensuppen machen nicht satt. Auf Dauer. Weder sie noch er wussten einen Ausweg.

Doch beide wussten: Egal wer loslassen würde, es war sie, die bluten müsste.

Dienstag, 28. August 2012

text /// In Zeitschleifen.


["in zeitschleifen" ist inspiriert von 'streuselkuchen und du', ein text der wunderbaren bloggerin leonie-rachel, danke. ich hatte vor aus anderer perspektive eine ähnliche situation zu erzählen und stolperte dann auf umwegen über diesen text. das resultat findet sich hier.]

Ich komme mir vor wie gefangen in einer Zeitschleife. Nur die Person wechselt, die neben mir liegt.
Und am Ende immer: Leere.

Du redest, während ich dir zuhöre - die gleichen leeren Phrasen aus deinem Mund, die ich schon so oft gehört habe und die Versprechen von Ungezwungenheit geben, zumindest für eine Weile. Du sagst, es ist gut so wie es ist und wir brauchen vorerst nicht weiter denken, belächelst meine beiläufige Bemerkung und legst dich in meine Arme. "Du bist süß", sagst du. Und während wir so daliegen, du mir deinen zuckersüßen Kleinmädchenblick schenkst, weiß ich, dass ich auch dir diese Worte nicht glauben kann. Denn auch du denkst schon in diesem Moment weiter.

Ist doch zum Kotzen. 


Donnerstag, 23. August 2012

text /// Laura mag keine Nüsse.


Christian liebt Laura. Und heute noch wie am ersten Tag. Wenn man Christian fragt wie es so läuft, lässt er sich nicht Lumpen. Du kennst das doch- nach ein oder zwei Jahren, sagt er und klopft einem lächelnd auf die Schulter. Ich mag Christian. Er ist das, was in diesen total Independent wirkenden Szene-Kolumnen gern als der echte, der „reale“ Berliner bezeichnet wird. Durchs Studium arbeitete er sich durch- mal gut, mal schlecht. 

Ebenso durch Kultur und Nachtleben. Er ist mittendrin, und trotzdem normal. Keiner der einen Jute-Beutel anstelle eines Rucksacks hat, nur enge Hosen und knallbunte Wolfs-Shirts trägt oder auf der Gästeliste der Kiez-Clubs steht. Christian hört zwar die neuste Musik, ist aber nicht abgedreht. Ist gut gekleidet, hat aber mehr als nur Matratze und MacBook im Zimmer. Sitzt auch abends mal nur neben Laura auf der geschenkten Couch von Schwiegermama und guckt Tatort, anstatt immer im Kiez Trends zu setzen. Christian ist normal- einer wie du und ich. Längst nicht so abgefahren wie alle behaupten, längst nicht so Berlin wie alle denken. Neben der Couch von Schwiegermama hat Christian ein Bild von Laura zu stehen. Christian ist ein feiner Kerl.

Christian liebt Laura. Und Laura möchte Kinder. Nicht unbedingt gleich. Aber bald. Sie sagt, vielleicht so in zwei oder drei Jahren. Dann wäre man lange genug zusammen, schon fast sechs Jahre. Es würde auch ganz gut passen. Christian hätte fertig studiert, sie eben auch. Ein Kind und am besten noch das zweite hinterher, Familienleben in absehbarer Zeit. Schön, und Laura grinst wenn sie mir am Tisch unten beim Italiener an der Ecke davon erzählt. Wenn ich Christian angucke dann sehe ich die Freude, nur reden tut er darüber nicht. Er ist kein Mann der großen Worte, wie man so schön sagt. Aber er ist ein Familienmensch, hat Bruder und Schwester- ist das mittlere von drei Kindern. Seine Eltern wohnen im dicken Speckgürtel von Berlin- kein Landadel oder Großgrundbesitzer- und helfen ihren Kindern wo es nur geht. Laura bekommt von Schwiegermama regelmäßig Anrufe- die beiden verstehen sich. Auch bei Lauras Eltern hat Christian ein Stein im Brett. Sie wissen er meint es ernst, ihre Prinzessin ist gut aufgehoben. Papas ganzer Stolz ist gut aufgehoben. Christian ist ein Familienmensch.

Dienstag, 14. August 2012

text /// Am Boden. Erster Teil.


Meine spröden Lippen sind eingeschmiert mit einer brennenden Paste. Mein ganzer Kopf beginnt zu glühen, Fieber?

Es gibt nichts Beschisseneres als aufzuwachen und die eigene Hand vor Augen nicht zu sehen. Mein Nacken schmerzt, meine Schläfe fühlt sich an, als wäre ein gepanzerter Geländewagen einmal quer durch mein Gesicht gedriftet und hätte direkt über meinem rechten Auge einen mit Spikes gespickten Reifen in meine Haut gewuchtet. Mein Mund ist trocken, salziger Schleim liegt auf meinem Gaumen. Unter Schmerzen löse ich meine festgeklebte Zunge von der Oberseite meiner Mundhöhle. Der Geschmack schlägt um. Bittere Brocken kleben wie festgetackert an meinen Zähnen. Meine taube Zunge fühlt sich geschwollen an. Ich muss husten. Dicke Stücke würgen sich meine Speiseröhre hinauf in die schmalzige Rosette am Ende des fauligen Loches, das mal mein Mund war. Kotze? Ist das Kotze? Mit einem lauten „Scheiße, Gott“ bete ich zum Herr und Erlöser es wäre so. Blut? Kann das Blut sein? 

Es ist immer noch dunkel. Und warm. Langsam gewöhnt sich meine Nase an die dicke, stickige Luft. Es riecht verbrannt, nach abgestandenem Bier und Männerschweiß. Ich rieche nach abgestandenem Bier und Männerschweiß. Ich drehe mich auf den Rücken, stöhne vor Schmerz und massiere meine Zunge zwischen rechtem Daumen und Zeigefinger. Wieder ein anderer Geschmack. Unerklärlich. Aber eklig. Meine spröden Lippen sind eingeschmiert mit einer brennenden Paste. Mein ganzer Kopf beginnt zu glühen, Fieber? Ich versuche mich zu sammeln, unfähig aufzustehen oder meine Umgebung abzutasten. Meine Hände suchen den Weg in mein Gesicht, die linke Hand reagiert nicht. Liegt wie eine benommene Anakonda auf meinem Bauch, schmerzt, pocht und zittert unregelmäßig. Ich fahre mir durchs Haar. Es ist verklebt. Am Haaransatz bemerke ich feuchtklamme Stellen die sich wie Sumpfmoore aus Haaren und flüssigem Gel langsam aber entschieden zu einem klebrigen Brei verhärten wollen. Immerhin habe ich noch etwas an, denke ich. An meinen Bauchhaaren klebt mein Shirt seitlich eingedreht und zum Bersten gespannt wie eine betonartige Slim-Fit-Folie, so dick wie ein Neoprenanzug. Was soll der Scheiß? Was soll dieser ganze Scheiß, denk ich.

Montag, 13. August 2012

foto /// Wer war das gestern Abend? Anton.




Und manchmal schleicht sich abends eine Frage den Rücken rauf: Wer ist Anton Mila? ;)
Danke an Herrmann Erdmann für Bild und Rücken.

Mittwoch, 1. August 2012

text /// Der Zuhörer. Passiv.


Ich höre sie über mir. Sie schreit. Sie stampft.
Sie schnaubt. Sie diskutiert. Sie wirft mit den schlimmsten Beleidigungen um sich. Wenn ich sie so höre, denk ich an nichts Gutes.

Ihn höre ich auch. Er stottert. Er schreit, aber leiser. Er knallt die Tür- ist doch eigentlich ihre Aufgabe. Er verneint und bejaht, spricht seine Sätze nicht zu Ende und wird dauernd unterbrochen. Wenn ich ihn so höre, tut er mir Leid. Darauf bin ich nicht neidisch.

Ich will nicht mit ihm tauschen.

Ihre dunklen, langen Locken fallen schimmernd auf ihre Schultern. Seitdem sie vor einigen Wochen bei mir geklingelt hatte um nach einem Föhn zu fragen, da ihrer gerade durchgebrannt war, weiß ich, dass sie braune Augen hat. Ein freundliches Lächeln mit angenehmer Stimme, ganz und gar nicht so, wie ich es von ihren Streitgesprächen dachte zu kennen - grell, schrill, hoch, überschlagend schnell. Für eine Frau ist sie groß, sicher irgendetwas in den Siebzigern. Gute Kusshöhe. Trotzdem, hübsch? Über Geschmack lässt sich streiten. Sie hat etwas hübsches, mich reizt es dennoch nicht. Genau wie ihr Freund.

Er ist ein schmaler, drahtiger Typ. Lange, nach hinten gelegte Haare, Hundeblick. Das passt irgendwie nicht zusammen, manchmal sieht er aus wie eine Karikatur von sich selbst. Wäre ich eine Frau, ich würde ihn mir nicht im Club rauspicken. Jedenfalls nicht vom Aussehen. Er hat etwas rattenhaftes für mich. Darauf bin ich nicht neidisch. Ich will nicht mit ihm tauschen.

Mittwoch, 25. Juli 2012

text /// Vom Öffnen und Schließen der Tür.


Der Moment zwischen Tür und Angel und Stühlen. Der Moment zwischen dem Glück.
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Die Wohnungstür schließt sich, du gehst hinaus und ich kann dich nicht einschätzen.
Und ich weiß nicht wer du wirklich bist, als Mensch. Und ich weiß nicht was ich wagen darf und will und tun kann, um Gewissheit ins Dunkel zu bringen.

Du bist der wunderbarste Mensch, der verständnisvollste Zuhörer. Wir sind unterschiedlich und finden doch zusammen. Und ich kann dich nicht einschätzen. Wir verbringen die Tage im Gespräch, und die Zeit rennt uns immer einen Meter vorweg. In deiner Nähe bin ich zufrieden- auch ohne dass wir reden oder etwas tun. Ich bin froh dass du da bist. Glücklich. Du strahlst Glück und Ruhe aus- und Geborgenheit und Leichtsinn. Deine Nähe gibt mir ein gutes Gefühl, ich fühle mich wohl.

Du bist der wunderbarste Mensch in diesen Augenblicken. Du bist erwachsen und verspielt zur gleichen Zeit. Du bist naiv, clever, smart und anziehend. Andere würden sagen du siehst wohl gewöhnlich aus, wie ein Mädchen Anfang zwanzig eben. Gut zwar, aber eben nicht außergewöhnlich gut. Ich mag wie du aussiehst, deinen für andere gewöhnlichen Stil in einem nach Außergewöhnlichkeit lechzenden Berlin. Er ist nicht billig, überdreht "trendy" oder überspannt alternativ- nein, er ist nicht mal gewöhnlich- er ist wie du, er ist schön. Ich mag ihn. Ich mag dich.

Samstag, 14. Juli 2012

text /// Was ist es?


Du bist Familie geworden von Tag zu Tag.
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Du meinst du kennst mich.
Wir kennen uns zehn Jahre lang, sind zusammen erwachsen geworden.

Du bist Familie geworden von Tag zu Tag. Du bist Bezugspunkt, Anker und Pfeiler geworden.
Doch der Punkt wird kleiner, der Anker leichter, der Pfeiler dünner. Die Momente in denen sie wieder wachsen werden kürzer, kühler, rarer. Dennoch führst du die Liste an. Bist immer noch oben. Weißt wie ich ticke, aber nicht was mich bewegt.

Du weißt nicht was mich bewegt. Das ist es.

Sonntag, 8. Juli 2012

text /// Im Treppenhaus.


Sie roch nach Mundwasser und Gleitgel, als sie die Wohnung verließ. Die Augenringe hinter Farbe versteckt, tiefe Furchen in ihrer jungen Stirn.
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Sie roch nach Mundwasser und Gleitgel, als sie die Wohnung verließ. Die Augenringe hinter Farbe versteckt, tiefe Furchen in ihrer jungen Stirn. Gut gezogener Lippenstift und müde, fahle Augen. Die Wangen warm und vom Rouge rosig, glitten jedoch ihre zitternden, kalten Finger am rot lackierten Treppengeländer abwärts. Ihre blonden Haare fielen aus der tief in ihr Gesicht gezogenen Kapuze wie dünne Fäden jugendlicher Leichtigkeit auf die bis zu ihrem Busen zugezogene Lederjacke. Ihre Beine tasteten sich langsam die Treppenstufen herab, Stufe für Stufe. Ihr Magen verkrampfte mit jeder Erschütterung die sie durchfuhr, wenn einer ihrer Absätze die nächste Treppenstufe fand. Im blassen Licht der goldenen Wandlampen hielt sie inne, blickte durch den geräumigen Treppengang nach oben. Hierher würde sie nie wieder zurückkehren. Nie wieder.

Ihre Gedanken drehten sich und sie hatte das Gefühl, sie könne spüren wie sich die Erde bewegt. Beständig, langsam, zuverlässig. Vielleicht war es das beste Gefühl seit langem, zu wissen, dass sich die Erde dreht – und es zu spüren. Die Schmerztabletten ließen nach. Die Krämpfe zwangen sie zu einer Pause. Erschöpft sank sie auf den Treppenabsatz. Vielleicht im dritten Stock, oder doch noch im Vierten? Angestrengt versuchte sie ihren Blick auf die Klingelschilder der altehrwürdigen, schwarzen Holztüren zu richten. Das flaue, leere Gefühl in ihrem Magen drehte sich schlagartig. Übelkeit überkam sie und ihr Blick verschwamm. Ausgelaugt versank ihr Gesicht in der Beuge ihres rechten Armes. Mit dem linken stütze sie sich am Geländer ab, hielt sitzend das Gleichgewicht. Sie tastete zu ihrer Jackentasche, ein verschmiertes Foto einer Frau, die längst aufgehört hatte sie zu kennen. Groß und blond, vor Jahren im Herbst hatte sie es geschossen. In der neuen Wohnung. Mit dem neuen Mann. Damals. Lange her.

text /// Großvater am Meer.


Ein weiterer pathetischer Text über Liebe.
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Da steht er, am Strand. Barfuss, die Zehen in den lauwarmen Atlantiksand gepresst. Starr vor Ehrfurcht blickt er auf die weite See und blinzelt. Seine Brille liegt ein Dutzend Meter entfernt auf der Decke. So sieht er die kleinen Punkte am Horizont nicht, die großen Ozeanriesen kilometerweit entfernt. Und da er sie nicht sieht, wirkt das blaue Monstrum vor ihm noch gewaltiger. In der linken Hand hält er ihr Foto.

Sein Tuch flattert in Richtung Stadt, sein dünnes, hellblaues Shirt drückt sich gegen die Konturen seines Oberkörpers. Gezeichnet von der Zeit und einem guten Leben, wölbt sich sein Bauch hervor und offenbart eine über die Jahre entwickelte Leidenschaft für Biergenuss. Ansonsten scheint er gut in Form zu sein. Seine Haare sind freilich dünner, seine Augen müder als vor Jahren. Falten ziehen sich durch sein Gesicht und über die Hände. Ein wenig krumm vom langen Arbeitsleben ist er. Und dennoch strahlt er Wärme aus, wie ein rundlicher Kachelofen, dessen Feuer mit Erinnerungen geschürt wird. Guten und schlechten, denn das macht ein Leben aus. Und seines umso mehr.

Er wirkt nicht alt, nicht gebrechlich. Er steht am Strand und trotzt dem Wind, blickt ihm und dem blauen Atlantik ins Gesicht als wolle er sagen: Ich bleibe. Ich bleibe noch. Er ist ein starker Mann. Das war er immer.

text /// Mein Goldener Käfig.


Oder: Was ich über Spatzen zu sagen habe.
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Allein in den Straßen. Nebel im Park. Neben mir die schwere Kühle, nasskalter Atem auf der Bank an der Ecke. Zigarettenfilter zu meinen Füßen. Ich höre meine Uhr ticken, jeden Schlag der Zeiger wie ein donnerndes Dröhnen von den Mauern der Häuser um mich herum durch die Luft wabbern. 

Kein Ton sonst. Kein die Stille zerreißendes Aufbegehren der Stadt außer dem entfernten Rauschen der Güterzüge. Die Stadt ruht und so ruhe ich, inmitten der Natur zwischen jeder Fuge, jedem Stein, jedem Kabel und jeder künstlichen Tristesse der schwarzgrauen Architektur meines Viertels. Für kurze Zeit eins mit dem Lebensraum in meinem Lebensraum, der vergessenen Stille der Stadt ohne Menschen. Dem Hohlraum in der Großstadtzivilisation. Kein klirrendes Summen der Motoren, kein zirrendes Schallen der Technologien. Nur Rauschen, nur Rauschen.

Pulsierendes Blut in meinen Ohren. Klare, nach Tabak und Ahornblättern duftende, kalte Sommernachtsluft in meinem Kopf. Über mir nur die Lichter der Stadt und ein offener Himmel, der alles zu verschlingen vermag. 

Einsamkeit. Pure Einsamkeit in einer Stadt, die aus Überfluss und Übelkeit jeden Tag mehr und mehr Menschen auf ihre Straßen kotzt und in der Ödnis aus Pflastersteinen und eingemauerten Blumenbeeten qualvoll abstumpfen lässt, sie scheucht und verdirbt, verletzt und zermürbt bis sie sich nach Stunden der Hatz zurück in ihre Kästen aus halbwahrer Geborgenheit und individueller Massenkompatibilität flüchten um sich das Erbrochene von der Haut zukratzen.

text /// Oder nichts von beidem?


Ich soll über dich schreiben. Wo fange ich an? Bei einer Zigarette am besten. Ich zünde mir eine an. Du rauchst nicht.
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Unsere Beziehung ist ein Schmugglerlager. Alles Hehlerware. Alles ist schon durch unzählige Hände gelaufen und wurde tausendfach berührt. Von schmutzigen Händen. Von fremden Händen. Von Händen die dir nicht gehören.

Eine Inventur ist nötig. Ich als Kopf der Schmugglerbande muss wissen, was ich auf Lager habe, und was ich noch an die Frau, an dich, bringen kann. Zum einen wären da Banalitäten, die sicher nicht schwer gewichten, solltest du mich erwischen. Vermutlich kannst du sie dir denken.

Da wäre mein Bett, in dem vor dir schon mehr als ein Dutzend Mädchen schliefen. Sie alle haben das gleiche Gefühl gehabt wie du: Geborgenheit, Wärme, Vertrauen. Du legst dich so selbstverständlich auf das Laken, welches sich ein ums andere Mal in kreisenden Bewegungen im Bauch meiner Waschmaschine drehte, nachdem ich es nach schlaflosen und alkoholisierten Nächten mit deinen Vorgängerinnen teilte. Du legst dich so selbstsicher unter meine Bettdecken, als wären sie unschuldige Wolken und dein Geruch, dein Schweiß wäre der erste, den die wollenen Fasern aufsaugten und innehielten. Dein Kopf liegt ruhig auf eben jenem Kopfkissen, dass vor dir schon Wollust gedämpft und Fingernägel gespürt hat. Ohne dass du einen Gedanken daran verlierst.

Mein Kleiderschrank. Wenn du zum Sport gehst und dir ein Shirt aus meinem Schrank nimmst und so klein und fein in meinen dir viel zu großen Nickies durch den Raum tanzt, dann verschweige ich dir, dass schon Mädchen vor dir dieses Shirt getragen haben. Ich verschweige dir, dass dieses Shirt ein Geschenk der Frau war, die vorher in anderen Shirts durch dieses Zimmer getanzt ist. Ich verschweige dir, dass noch vor wenigen Wochen andere Mädchen dieses Shirt zum Schlafen trugen. Ich verschweige dir, dass mich dieses Shirt an andere Mädchen erinnert. Ich verschweige dir, dass vielleicht Mädchen nach dir dieses Shirt lieben werden.