Mittwoch, 28. November 2012

text /// Der Gingko-Tee-Mann. Ich hasse ihn.


Gestern in der Bahn habe ich dich getroffen. Du bist alt geworden. Und langweilig. Und du riechst neuerdings nach Gingko-Tee.
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Ich sehe dich in die Bahn steigen. Mein Puls zerkocht mir die Adern wie dünne Fäden aus Butter. Bitte, sieh mich nicht an. Doch dein Blick schweift kopfgeldjägergleich durch die Bahn und bleibt letztlich an mir hängen wie Scheiße. Genau das ist auch mein Gefühl. Ich versuche noch einen Ausweg zu finden, Türen schließen gerade, Fenster abgeschlossen. Bleibt der Nothammer und ein bourne'scher Sprung auf die Gleise, Hechtrolle um dem entgegenkommenden Zug auszuweichen und ein verschmitztes Lächeln. Dein selbstverliebt-debiles-pseudo-ichbinmitderWeltimReinen-Grinsen wackelt auf leisen Korksohlen in meine Richtung. Kacke! Kacke! Kacke, denk ich noch, ich nehme den Sprung aus dem Fenster auch ohne das Ausweichmanöver und lass mich einfach platt walzen. Hauptsache hier weg. Du hast mich fast erreicht und winkst mir spröde zu. Am Liebsten würde ich gern mit allen Vieren um mich treten und zappeln wie eine Spinne auf der heißen Herdplatte. Dazu würde ich Geräusche wie eine werfende Kuh auf Helium machen und dich mit einem gleißenden Strahl Arschsaft von oben bis unten bestuhlen. Aber das wäre unpassend in Anbetracht der anderen Fahrgäste, denke ich. Und wo sollte ich jetzt so viel Stuhl herbekommen, ist doch Kacke alles.

„Noa? Alles klaro?“ giftest du mich ruhig an und deine Stimme wirkt, als hätte man es tatsächlich geschafft, diese fetten Ghettoblaster aus den Achtzigern mit nur einer halbaufgeladenen AAA-Batterie zu betreiben: immer kurz vorm Abseiern, aber Buchstabe für Buchstabe geht da noch was. Gott ich will nur nach Hause, wieso kann ich die Hölle nicht umfahren? Und seit wann liegt die Hölle zwischen Steglitz und Wedding? Ein Geruch von Gingko-Tee und Biobaumwolle steigt atompilzartig auf und nistet sich im Abteil ein. Riechen so die Lager von Atomgegnern? Früher warst du einfach nur Torben. Heute bist du der Gingko-Tee-Mann. 

Dienstag, 20. November 2012

blog /// ICH HÄNG' AN DIR!


Mahlzeit! 
Die Shootingbilder feiern heute Premiere. Und weil das so ist, draußen die Sonne fast scheint und gute Laune wichtig ist, verlose ich unter allen Leuten die dieses Fotoalbum auf Facebook teilen einen Beutel nach Wahl mit wundertollem Überraschungsset. Besser kann ein Dienstag doch nicht laufen, oder?

Anton.






blog /// "13 Fakten über..."


Beim großartigen Projekt Projekt 13, das ich euch wärmstens ans Herz legen möchte, wurde ich als einer der Co-Autoren vorgestellt. Anlässlich der "13 Fakten über..."-Reihe könnt ihr hier nachlesen, was ich so über Hobbits, Duschensingen und Sex denke. Ehrlich, alles wahr. 



Freitag, 16. November 2012

text /// Eure Geschichten.


Und wenn ich so dasitze, auf euren Balkonen, dann habt ihr so verdammt viel zu erzählen.
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Und wenn ich so dasitze, in euren Wohnzimmern. Dann stelle ich mein Bier ab, blicke raus in den Garten und bemerke, wie groß doch der Apfelbaum geworden ist. Ihr habt alle so viel zu erzählen. Von den Problemen der Nachbarn, vom besten Freund in der Schule, vom letzten Telefonat mit Geschäftskunden. Kleinstadtgewäsch und ich habe Verständnis dafür. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das freut euch.

Und wenn ich so dasitze, in euren Küchen und meinen Kaffee schlürfe und mein Blick auf die Betonfassade gegenüber fällt, die Jahr um Jahr vom Efeu berankt grüner und frühlingshafter wirkt, dann habt ihr alle unendlich viel zu erzählen. Von euren erfüllten Lieben und den kleinen Problemen, vom Stress auf der Arbeit und dem Kreativsein. Gute Gespräche über euch, die ich gerne führe. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das wisst ihr doch.

Und wenn ich so dasitze, auf euren Balkonen und den Kopf in den Wind halte, jeden Bus zähle, der unten vorbeifährt, meine Zigarette anzünde und Zug um Zug euren Geschichten ein Nicken und eine Anekdote beisteuere, dann habt ihr so verdammt viel zu erzählen. Ihr erzählt von euren lieblosen Affären, euren brüchigen Lieben und eurem alltäglichen und essentiellen Schmerz. Es wird geweint, es wird gelacht, es wird gefloskelt. „Mir? Mir geht’s gut.“ Das ist euch klar.

Donnerstag, 1. November 2012

text /// Pathos


Eine Rückkehr zum Uterus des Lebens.
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Und plötzlich stehen sie vor der Tür und kommen freudestrahlend in die Wohnung. Meine Eltern und Geschwister, alle meine Freunde seit dem Kindergarten, Arbeitskollegen, Nachbarn, Friseure und Bankberater. Alle meine Hausärztinnen und Supermarktkassierer, die Postboten und unbekannten Liebschaften, One-Night-Stands und Bettgeschichten. Sie haben Blumen und Geschenke dabei, meine besten Freunde haben gekocht und die Musik trägt Leben durch meine lichterfüllten Zimmer. Es riecht nach Äpfeln und Koriander, auf dem Balkon wird Gras geraucht und zieht in seidenen Schwaden durch die Sonnenstrahlen. Meine toten Verwandten schneiden Bleche voller Kuchen mit silbernen Messern und tunken Zuckerwürfel in schwarzen Kaffee. Es wird gelacht. 

Ein jeder erzählt Geschichten über die Vergangenheit und schon bald halten sich meine Neffen und Nichten die Bäuche, gespannt vom Zuhören und überzuckert vom herrlichen Erdbeergelée. Meine Mutter trägt eine große Platte mit Bouletten und Senf durch die Wohnung, meine Jugendfreunde trinken mit meinem Vater Bier und blicken verstohlen zwischen ihren Frauen und der Fussballübertragung hin und her. Im Esszimmer verschlingen dicke, goldbehangene Tanten Käsekuchen mit Sahnehauben und Cocktailkirschen, der Tee dampft und das Schmatzen ist bis in den Hof zu hören.