Gestern in der Bahn habe ich dich getroffen. Du bist alt geworden. Und langweilig. Und du riechst neuerdings nach Gingko-Tee.
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Ich sehe dich in die Bahn steigen. Mein Puls zerkocht mir die Adern wie dünne Fäden aus Butter. Bitte, sieh mich nicht an. Doch dein Blick schweift kopfgeldjägergleich durch die Bahn und bleibt letztlich an mir hängen wie Scheiße. Genau das ist auch mein Gefühl. Ich versuche noch einen Ausweg zu finden, Türen schließen gerade, Fenster abgeschlossen. Bleibt der Nothammer und ein bourne'scher Sprung auf die Gleise, Hechtrolle um dem entgegenkommenden Zug auszuweichen und ein verschmitztes Lächeln. Dein selbstverliebt-debiles-pseudo-ichbinmitderWeltimReinen-Grinsen wackelt auf leisen Korksohlen in meine Richtung. Kacke! Kacke! Kacke, denk ich noch, ich nehme den Sprung aus dem Fenster auch ohne das Ausweichmanöver und lass mich einfach platt walzen. Hauptsache hier weg. Du hast mich fast erreicht und winkst mir spröde zu. Am Liebsten würde ich gern mit allen Vieren um mich treten und zappeln wie eine Spinne auf der heißen Herdplatte. Dazu würde ich Geräusche wie eine werfende Kuh auf Helium machen und dich mit einem gleißenden Strahl Arschsaft von oben bis unten bestuhlen. Aber das wäre unpassend in Anbetracht der anderen Fahrgäste, denke ich. Und wo sollte ich jetzt so viel Stuhl herbekommen, ist doch Kacke alles.
„Noa? Alles klaro?“ giftest du mich ruhig an und deine Stimme wirkt, als hätte man es tatsächlich geschafft, diese fetten Ghettoblaster aus den Achtzigern mit nur einer halbaufgeladenen AAA-Batterie zu betreiben: immer kurz vorm Abseiern, aber Buchstabe für Buchstabe geht da noch was. Gott ich will nur nach Hause, wieso kann ich die Hölle nicht umfahren? Und seit wann liegt die Hölle zwischen Steglitz und Wedding? Ein Geruch von Gingko-Tee und Biobaumwolle steigt atompilzartig auf und nistet sich im Abteil ein. Riechen so die Lager von Atomgegnern? Früher warst du einfach nur Torben. Heute bist du der Gingko-Tee-Mann.