Dienstag, 12. August 2014

text /// Sandbänke.

Irgendwann hast du mal gedacht, du könntest über Wasser gehen. Immer weiter bis zu den Sandbänken ein paar hundert Meter vor der Küste. Hinter dir verschwanden erst die Muscheln im Schaum der Wellenlinien, dann verschwanden die Trümmer der Sandburgen im verschwommenen silberweiß des abnehmenden Mondes. Kinderlachen verebbte und erstarb schließlich, als die bunten Schirme am Strand von Böe um Böe niedergerungen wurden. Der Geruch von Sonnenmilch und Zigaretten konnte dir nicht mehr folgen, als der Wind stärker flüsterte und dich an der Hand weiter über die glitzernde Oberfläche führte.

Jeder Blick zurück ließ die Dünen schrumpfen. Der starre, winddurchflossene Strandhafer erinnerte dich an Haare, die sich bei Gänsehaut auf deinen Armen aufstellten und deine vom Salz ganz ausgetrocknete Haut fast aufzubrechen vermochten. Nur gefroren hast du nie. Und deswegen hast du dich umgedreht und bist weiter gelaufen. Unter deinen Füßen glaubtest du die Wellen zu spüren; tosend und brausend meintest du sie tief unter dir durch das unendliche Meer rollen zu hören. Dass sich fern im Osten der Regen über der Welt zusammenbraute und am Horizont die Blitze zuckten, sahst du nicht. Dein Sturm lag schon immer tief vergraben, im Meer versenkt und gehütet von Abermillionen Jahren zwischen Plankton und Schlamm. Keinen Gedanken hattest du je an den grauen Himmel verschwendet, keinen an die Sonne und keinen an den Mond, der dir auf deinem Weg in dieser Nacht doch so zuverlässig den Weg leuchtete. Als du Sand unter deinen Füßen spürtest, waren die Robben längst geflohen und in alle Winde ausgeschwärmt. Fast zu spät hatten sie dein Kommen bemerkt und sich verwirrt und überhastet in die Fluten stürzen wollen. Und du hast sie alle betrogen – du hast sie alle betrogen. Einige konntest du noch sehen, die Schwerfälligen, die Missgestalteten. Die Schwachen und die Kranken, denen du beiläufig einen Blick über das Meer hinterher schicktest. Einen Blick voller Desinteresse und Gleichgültigkeit, kalt wie die Sohlen deiner Füße, hart wie das Eis an deiner Haut.