Montag, 30. Dezember 2013

blog /// Die aller-aller-aller-beliebtesten Texte 2013


Liebe Freunde der munteren Silvestervorbereitung,


in diesem Jahr ist für mich allerhand Spannendes passiert. Es gab viele tolle Begegnungen mit Menschen, die tatsächlich nun schon seit mehr als 1 1/2 Jahren meinen Blog lesen. Ich habe kaum noch Beuel aus der ersten Beutelreihe, die neuen Sticker kleben überall in Deutschland und Clubbesitzer schicken mir böse Mails, weil ihnen "Chapeau, ihr Teufel" von Fliesen entgegen grinst. 

Für das kommende Jahr ist mindestens genauso viel geplant, wenn nicht sogar noch mehr. Lasst euch überraschen. 

Bevor es jedoch in 2014 auch zu meiner ersten Lesung kommen wird, ist hier eine kleine Liste von 5 Texten aus dem (noch) aktuellen Jahr, die von euch am häufigsten gelesen wurden. Alle eure Lieblinge dabei? 

5. Mein Monolog und Marcel Reich-Ranicki.

4. Was wir noch zu sagen hätten.
3. Wieder Abschied.
2. Zu viel verpasst.


1. Wenn ich betrunken an dich denke.

Ich bedanke mich bei euch allen für die kurze Aufmerksamkeit und hoffe, ihr bringt auch in Zukunft ein wenig davon für mich auf,



es grüßt,

Anton.

Freitag, 8. November 2013

text /// Der alte Trinker.


Und dann schlägt er mit der Hand auf den Tisch - „Dit hätt's früher nich jejeben“ – und nimmt einen ordentlichen Schluck Bier. Das Radeberger-Emblem auf der Tulpe vor ihm hat mehr Jahre hinter sich als ich und glänzt verwaschen-milchig im monotonen Flackern der Dartscheibe. Der Kneiper am anderen Ende des Tresens nickt wohlwollend und schenkt uns die nächste Runde Korn ein. Mir brennen die Augen. Die warme Luft ist dick wie Omas Oberarme und lässt sich wie eben jene per Handstreich von einer Richtung in die andere schieben. Korn wird hier lauwarm serviert. Wie früher. Und schmeckt immer noch beschissen.
„Ik in deim Alter hatte Frau und Abeit“, sinniert er über die alte Zeit und fügt hastig das unausweichliche Thema hinzu: „Und ik war beim Bund, inna Armee.“ Mit glasigen Augen und zittrigen Händen steckt er sich eine Zigarette zwischen die spröden Lippen.

Mittwoch, 25. September 2013

text /// Was wir noch zu sagen hätten.


Es muss weiter gehen. Sagt der Kopf.
Und keiner kann ihm das glauben.
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„Wenn ich einfach nur noch schlafen möchte, versunken, verloren, vergessen – dann erst bin ich am Ende. Solange schleppe und humple ich mich nach vorn, Schritt für Schritt in die gewisse Ungewissheit, die feurig rot und bitter blau im Schatten meiner Schultern vor mir liegt. Kein Gott der mich lenkt, kein Traum der in mir wartet, kein Faden der mir die Richtung vorgibt. Es sind Leere und Feuer, die in meinem Kopf ein Tänzchen aufführen. Einen bunten Reigen aus Schwarz und Grau, Last und Ballast die in meinen Adern pulsieren und jede Bewegung zu einer Qual machen, deren Ausmaße ich erst zu spüren beginne, wenn deine Finger mich berühren. Es ist ein Brandmal, das wieder aufbricht. Eine Wunde, die von neuem blutet. Deine Medizin, die nicht anschlägt und bittersüß schmeckt. Ich fühle mich verloren in all dem Alles und Nichts, in diesem düsteren Wald jenseits der Tür. Auf der anderen Seite scheint wohl die Sonne, nur sehen will und kann ich sie nicht. Denn ich misstraue ihr, sie widert mich an. Grell und wunderschön ist sie und blendet mich für das Wesentliche, blendet mich für den Schmerz und den Hass und die Verachtung, die ich mir selbst entgegenbringe. Mir selbst entgegenbringen will. Du kannst dir nicht ausmalen, wie trostlos mein Kopf sein Inneres gestrichen hat, wie viele Feuer in mir entflammt und erloschen und wieder entflammt sind, wie viele Leichen sich bis unter meine Schädeldecke türmen und vermodern und verdrecken und dahinsiechen. Es ist kein Leben, dort drin. Nur Funktionieren. Ein Schema das ich verfolge, ein Plan. Ein niederer Trieb, eingebrannt über die Jahre – es muss weiter gehen. Es muss ja immer weiter gehen.

Donnerstag, 19. September 2013

text /// Mein Monolog und Reich-Ranicki.


Du redest viel.

„Schreib einen Text über die Liebe. Die wahre Liebe. Wie du sie fühlst. Wie du sie siehst. Wie es sich anfühlt, verliebt zu sein. Wie er sich anfühlt, der erste Moment, in dem man sich küsst und umarmt und in die Augen sieht. Über diesen Moment, in dem die Zeit stehen bleibt und die Blumen verwelken, weil man sich tagelang bedingungslos fickt und nicht mehr aus dem Bett kommt. Schreib über deine Gedanken wenn du dein Mädchen morgens siehst und deine Träume, wenn sie nachts neben dir liegt und du sie in den Armen hältst. Darüber, wie du ihre Klamotten in deinem Bad rumliegen siehst und sie ihre Zahnbürste neben deine auf die Waschmaschine legt. Du könntest darüber schreiben, wie sie dir morgens ungeschminkt Kaffee ans Bett bringt und dein Herz einen Satz macht, wenn ihr gemeinsam Filme guckt und du sie atmen hörst und ihre Haut nach Lieblichkeit duftet. Wie warm ihre Haut ist und wie perfekt ihr Arsch in diesen knappen Shorts aussieht. Schreib, wie eure Kinder in Jahren durchs Haus rennen, ihr gemeinsam Urlaub macht, die Elternsprechstunde besucht oder im verdammten Center Park die Wasserrutsche zusammen runter fahrt. Aber verdammt, schreib irgendwas über die Liebe. Das inspiriert doch.“

Du nimmst einen kräftigen Schluck Bier. Ich nippe an meinem Whisky. Die Zigarette verglüht im Aschenbecher. Blau flimmert der Bildschirm.

Mittwoch, 4. September 2013

blog /// foto /// Beutel on SALE / Sticker / WienerWahnsinn


Dear friends in crime,


es freut mich verkünden zu können, dass ihr ab sofort die letzten verfügbaren Stoffbeutel in einem niegelnagelneuen Onlineshop für schmale 5 € erwerben könnt - nur so lange der schon stark limitierte Vorrat reicht. Immerhin ist jeder Beutel der ersten Kollektion auf in Handarbeit gefertigte zehn Stück limitiert. Dann ist endlich Platz für neue Motive und neue Ideen.


Außerdem bekommen die ersten drei Bestellungen gratis einen Kulturbeutel aus Stoff mit der Aufschrift "Bettgeschichten" oben drauf. Das ist doch mal was! 

Weiterhin wird es bald neue Sticker in zwei verschiedenen Motiven geben, die nur so darauf warten von euch in den Bars, Clubs, Haltestellen und Feinbäckereien dieser Welt verklebt zu werden. So weit, so gut. 

Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und sende allerbeste Grüße aus dem Wiener Urlaub - natürlich nicht ohne euch an meinem Lieblingsfoto des Tages teilhaben zu lassen.

Allerbestens, 

Anton.


Donnerstag, 8. August 2013

text /// Die Flucht.



24/7. Wecker. Kaffee. Bahn. Uhr. Tick. Tick. Tick. Hochhaus. Bildschirme. Mail. Kopfschmerzen. Mail. Uhr. Tick. Tick. Tick. Telefon. Hunger. Durst. Aspirin. Übelkeit. Telefonklingeln. Chef. Uhr. Tick. Tick. Tick. Lärm. Aspirin. Uhr. Tick. Tick. Tick. Bildschirme. WhatsApp. Uhr. Tick. Tick. Tick. Telefonklingeln. Bahn. Kaffee. Müll. Uhr. Tick. Tick. Tick. Bier. Bier. Bier. Whisky. Bahn. Uhr. Tick. Tick. Tick. WhatsApp. Mail. Bildschirm. Kopfschmerzen. Aspirin. Bett. Uhr. Tick. Tick. Tick. 

24/7. Wecker. Kaffee...

Flucht, schießt es ihm noch durch den Kopf während der Schwindel in ihm aufsteigt. Taubheit.


Graugrüner Nebel hängt noch über dem Tümpel. Auf seiner Haut spürt er den feinen Atem der vergangenen Nacht. Die Feuerstelle zu seiner linken ist lauwarm und wie eine sich verjüngende Säule steigt dünner Rauch in den Morgenhimmel auf. Windstille isoliert den Raum um ihn, nur das Pulsieren seines Blutes und das leise Gluckern des Rinnsals begleiten die morgendliche Ruhe. Noch im Liegen blickt er über den Boden vor sich. Erde, Grashalme, Blätter, Klee und Spitzwegerich. Dahinter Gestrüpp am Rand des Wasserlaufs, abgeknickte Schilfrohre, Seerosen und Äste einer mächtigen Weide, die tief unter die Wasseroberfläche zu reichen scheinen. Dahinter ein majestätischer Wald – sattgrün und erhaben thront er über dem jungen Morgen und spiegelt seine geheimnisvolle Dunkelheit auf der matten Oberfläche der Wasserstelle. 

Donnerstag, 27. Juni 2013

blog /// party /// 150!


150?

150!

Einhundertfünfzig verrückte Follower auf Facebook. Unglaublich ist das. Ich bedanke mich herzlichst und schenke euch allen einen digitlaen Schnaps in eure Web2.0-Gläser ein. Cheeeeeeeeeeeeers!



Mittwoch, 26. Juni 2013

text /// Zu viel verpasst.


Ich spüre keinen Schmerz, doch ich weiß, dass er da ist. Und mit ihm kommt die Müdigkeit und verspricht mir bittersüße Erlösung und Frieden.
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Das Geschirr stapelt sich immer noch. Nur das Spülmittel ist ein anderes. Alles scheint deplatziert und wirr, doch die Staubflusen am Boden verraten den anhaltenden Stillstand meiner Welt, verraten die zu Stein gewordene Leblosigkeit meiner Wohnung, meines Lebens. Auf allem liegt der Schleier der Belanglosigkeit. Die Briefe auf dem Tisch könnten noch nach Frühling riechen, tief in ihrem ungeöffneten Innern. Die Blumen auf dem Fensterbrett sind längst nur noch kahlbraune Gerippe, vernachlässigte Zeugen einer vorgestrigen Sonnendekade. Alles vergangen. Alles alt. Und doch so fern vertraut. Wie eine Erinnerung an Nächte unter Stroboskopen und wummernden Bässen, die unverhofft kommt und bleiern an mir haftet. Mit fadem Beigeschmack brennt heißer Dampf in meinen Lungenflügeln – verlogen glimmt blassorange die Glut zwischen meinen Fingern und knistert leise zum beständigen Klopfen des Regens. Mit meinen Lippen forme ich stumm Wörter. Wortfetzen. Gebilde. Gedanken. Zu feige ihnen laut Raum zu geben. 'Wo war ich?'
Mein Kopf erträgt sich nicht mehr. Meine Füße tragen mich nicht. Zentnerschwer liegt das Vergangene auf meinen Sehnen und brennt sich sekündlich tiefer in meine Zellen und Synapsen – lähmt sie, blendet sie, schnürt sie ein. Betäubt versacke ich am Küchentisch und hoffe meinen Geist mit einem Glas braunem Gold zu leeren. Ein Himmelfahrtskommando der Seele, sicherlich. Doch Alternativen scheinen so fern. 'In was für einer Welt leben wir eigentlich?' titelt die Zeitung vor mir, vergilbt durch das Sonnenlicht der letzten Wochen. Ich proste der Kompanie von Buchstaben widerwillig zu und trinke brav aus. 'Treu bleiben, wenigstens mir selbst', denke ich.

Montag, 29. April 2013

text /// Wenn ich betrunken an dich denke.

Chapeau, ihr Teufel. Ihr habt nichts für mich übrig, außer eines blassen Echos. 
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Wenn ich dann nach Hause komme, meinen Schlüssel auf das Brett im Flur lege, meine Jacke an den Haken hänge, meine Mütze in den Korb schmeiße und meine Hosentaschen – Feuerzeug, Zigaretten, Autoschlüssel, Taschentuch, Brieftasche, Kaugummis, Kleingeld, Kondom, Handy – leere, kann ich dich immer noch in der Luft riechen. Seit Wochen geht das nun so, egal wie viel ich vorher geraucht, gesoffen oder gekocht habe. Die Luft ist voll von dir. Ich weiß, das ist Einbildung und nicht die echte Welt. Doch es ist ein Streich, den ich mir gern spiele und ein Schwindel, den ich mit Freuden ertrage. Denn er lässt mich dir nah sein, irgendwie.

Stumm schneide ich zwei Äpfel, nehme zwei Teller, zwei Messer und zwei Gabeln, zwei Schalen und zwei Gläser. Wie selbstverständlich bereite ich Essen für zwei vor. In den Korb packe ich noch zwei Kerzen, zwei kleine und eine große Decke. Zwei Träumer, zwei Träume. Der kleine Korb füllt sich, bis zum Rand. Es wird Zeit aufzubrechen. Für die zwei von uns, die eigentlich nur einer sind – ich. Doch das macht mir heute nichts, es lohnt sich nicht, darüber nachzudenken. Es ist eine Generalprobe. Das Licht stimmt, der Ton läuft, die Tänzer sind krank. Sei es drum, ich habe Vertrauen. Auch wenn es schmerzt. 
Wieder.

Die Knochen tun mir weh, weil ich jeden Tag ohne dich verkrampft und gebückt und verdreht durch mein Leben laufe. Anspannung lässt mich ermüden, Müdigkeit nährt meine Anspannung – ich muss konzentriert bleiben, mit allen Sinnen wie ein Trüffelschwein nach dem Wenigen von dir suchen, das mir geblieben ist. Wenn ich mich zum Bett schleppe, meinen brennenden, ausgelaugten Körper auf die Matratze rolle, dann sehe ich dich im Augenwinkel neben mir liegen – du atmest tief ein und aus, ruhig, wunderfein und royalelegant. Dein Brustkorb hebt sich sanft und erhaben zum Takt deiner Lungen und deine Haut glänzt im kühlen Mondlicht wie Porzellan, Marzipan, Buttercreme. Die Umrisse deines Körpers verschmelzen mit der seichten Dunkelheit zu Wogen aus weißer und dunkler Schokolade, deine Haut knistert, wenn ich sie berühre und zerläuft zart unter meinen warmen Fingerspitzen. Dein Körper glüht wie warmer Bonbon und strahlt mir Lieblichkeit ins Gesicht. Die Luft zwischen uns riecht nach heißem Zucker und zieht wonnige Fäden, denen wir nicht entkommen können. Wir kleben zusammen, wir leben zusammen, wir liegen zusammen. Ich lüge allein.

Mittwoch, 17. April 2013

text /// Wieder Abschied.


Geh jetzt.


Geh weit weg. Geh dahin, wo ich dich nicht mehr sehen kann. Geh so weit, dass ich dich nicht anrufen kann. Geh bis ans andere Ende der Welt, so dass keine Nachricht von mir dich je erreichen wird. Denn ich ertrage dich nicht. 

Und nimm alles mit. 

Nimm dein Lächeln aus meinem Kopf, nimm deinen Geruch aus meiner Wohnung. Nimm sie mit und verbrenne und vergrabe und verschütte sie im Sand unter einem fernen Himmel. Nichts in meinem Leben hier soll mich an dich erinnern. Denn ich ertrage es nicht. 

Und lass mich vergessen.

Bitte, lass mich vergessen, wie es ist neben dir zu sitzen. Dir beim Reden zuzusehen und dich bei mir zu haben. Ich will vergessen, wie du deinen Kaffee trinkst und wie deine Augen leuchten. Ich will dich vergessen, denn ich ertrage dich nicht.

Und lass mich fluchen.

Bitte, lass mich fluchen über unser Unvermögen. Über alle verpassten Momente und lächerlichen Ausreden. Lass mich fluchen über scheinbar ungünstige Augenblicke und ungenutzte Möglichkeiten. Ich verfluche sie alle. Ich verfluche meine Lügen. Denn ich ertrage es nicht.

Und lass mich ehrlich sein.

Bitte, lass mich nur einmal ehrlich sein und dir alles erzählen, was mich bewegt. Lass mich dich in den Arm nehmen. Lass uns die anderen vergessen. Lass mich aus mir heraus und an dich heran. Lass mich nur einmal ehrlich sein:

Bitte bleib. 

Denn ich ertrage es nicht, ohne dich.

Mittwoch, 27. März 2013

text /// blog /// riesendanke /// Time goes by, thats it! / Why don't you say it like you mean it!


Time goes by, thats it.
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Vor ziemlich genau drei Jahren habe ich meinen ersten Text auf neon.de veröffentlicht. Mittlerweile sind es dutzende geworden, viele mehr liegen noch in Schubladen, chaotischen Ordnern und Gehirnwindungen. Mit "Why don't you say it like you mean it!", übrigens ein Song der Pigeon Detectives, begann ein Weg, auf dem ich von vielen Seiten Lob, Kritik, Unterstützung und liebe Worte sammeln durfte. An dieser Stelle möchte ich den Menschen danken, ohne die meine Texte und der ganze kleine Kosmos um mich herum niemals in dieser Form hätten stattfinden können. Ihr begeistert mich! Im wahrsten Sinne des Wortes.

Allen voran danke ich Julia, Christina, Anne und Tobias - für ernsthafte Kritik und eure Unterstützung von der ersten Minute an. Für zahllose Gespräche zwischen Zigarettenpackungen und Bierflaschen, eure Inspiration und ehrlichen Ratschläge und das ein oder andere verzweifelte Lächeln beim Korrekturlesen.

Marcus, Juju, Nova und Sarah für das wohl entspannteste Shooting bei ekligstem Nieselwetter und eure helfende Hand, wann immer etwas getan werden musste.
Danke.

Franz, Hannes und Patrick sind die fleißigsten Stickerkleber, Beutelträger und Schulterklopfer der Welt. Danke.

Meinen Geschwistern für ihre Begeisterung und Kritik, ihr Interesse und ihre Unterstützung - auf so viele unterschiedliche Arten.
Danke.

Den Kollegen beim Projekt Projekt 13 für ihren Tatendrang und den chaotisch-lustigsten Austausch, den ich je über Skype führen durfte, allen voran Susa, Geli, Kalle, Ruben, Claudia und Tina.
Danke.

Und ich danke allen, die bisher gelesen, kommentiert, Aufkleber geklebt und Beutel getragen haben. Allen die ihren Freunden von mir erzählen und die Texte verbreiten. Für alle Kritik und jedes Lob, für eure interessanten Interpretationen und harten Beleidigungen.

Ich danke der Academy,...

Anton.
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Why don't you say it like you mean it!

Ich stand da. Du unweit von mir. Ich stand da. Eigentlich nur so herum. Bier rechts. Kippe links. Neben mir ein paar meiner Freunde. Berliner Abend, Nacht kalt. Lido. Im kleinen Raucherabteil, draußen hinter den Plastik-Lappen, welche die Nichtraucher schützen sollten. Vorm bösen Rauch. Unsere Blicke treffen sich. Lächeln sich an. Versinken, wie in warmem Pudding und scherzen. Deine Augen. Deine Augen. Diese Augen. Deine Freundin zieht dich am Arm. Los gehts. Ich habe noch nie schneller an einer Kippe gezogen als in diesem Moment. Hinterher, dachte ich. Einfach hinterher.

Hey, schreie ich dir auf dem Weg zur Tanzfläche ins Ohr. Meine linke Hand auf deiner Schulter, die rechte an deiner Hüfte. Diese Wärme. Du bist warm, meine von der Winternacht kalte Hand hält sich behutsam an dem Stoff deiner Tunika fest. So warm. Angenehm. Kann ich dir ein Bier ausgeben, frage ich. Deine Haare kitzeln meine Nase. Weich und so duftend. Keine Spur von Rauch und Rausch und Drogen. Deine Haare. Deine Hand greift nach meinem Shirt, stark und anziehend- zerknautscht es in der Handfläche sodass es mir hauteng in der Hüfte liegt. Deine andere Hand nimmt meine während du mir mit einem Lächeln, für das ich töten würde, ins Gesicht grinst: Nein. Ich stutze. Ich trudle. Ich suche nach Worten.

Verdammt denk ich, kurz davor dich loszulassen, dich nicht weiter zu belästigen, dich gehen zu lassen, wahrscheinlich zu deinem Freund - älter, reicher, besser, ja besser als ich. Ich löse mich, doch deine Hände lassen mich nicht los. Mein Shirt dehnt sich, ich halte inne. Verwirrter als zuvor, du lachst. Lässt mich nicht los, lass mich nie wieder los. Nie. Tango von Super700 im Hintergrund. Tango ist gar kein Ausdruck. Ich gebe dir ein Bier aus, sagst du, meine Flasche ist ja noch fast voll, sagst du. Ich versuche kreativ zu sein, lehne dankend ab und stottere dir ins Ohr, dass ich das nicht annehmen könne, ich hätte doch eine Runde schmeißen wollen. Eine Runde schmeißen? Klingt nach Kumpels in der Sportbar, aber nicht nach dir, das war wenigstens drei Stufen unter dem, was ich hätte sagen müssen, gemessen an dem, was ich in dir sah.

Du ziehst mich nah an dich, dein Kopf liegt an meiner Brust, du blickst auf. Lachst. Ich bin stumm und lahm und blind und taub und krank vor Sorge. Was soll ich tun. Dieses Lächeln bringt mich um meinen Verstand. Du ziehst mich zur Bar, bestellst mir ein Bier und drückst es mir in die Hand. Deine warmen, weichen Hände drücken mir deine kalte Bierflasche in die Hand. Nun hab ich zwei. Du stellst dich auf deine Zehenspitzen, nimmst mein Gesicht in beide Hände, und küsst mich. Es war kurz, Es war lang. Ewigkeiten und Augenblicke. Momente oder Dekaden. Es war mehr, als alles. Es war beängstigend und vertraut. Es war.

Ich gebe dir ein Bier aus, du küsst mich, damit kann ich leben, sagst du. Was soll ich sagen? Ich sage nichts. Der Abend verfliegt. Eine Kombination aus Tanzen und Küssen und Trinken und Lachen und Reden, sogar reden. Wir sitzen abseits, reden, als würden wir uns kennen- ewig. Als wären wir zusammen- ewig. Dabei waren es zwei Stunden. Die Schönsten. Die Merkwürdigsten. Die Grandiosesten. Die Verrücktesten.

Ich bringe dich nach Hause, vor deinem Altbau nur schummriges Morgenlicht. Kühle Wärme zwischen Morgensonne und Beton. Hand in Hand durch Berlin. Leichtigkeit, Jugendlichkeit, Freiheit. Und keiner von uns denkt an Morgen, doch Morgen ist schon passiert.

Zum Abschluss ziehst du mich wieder an dich heran, zerknüllst mein Shirt in deiner Hand, ziehst an mir mit liebevoller Kraft und Empfindung. Dein Herz klopft schneller, du atmest schwerer. Ich würde gern, sagst du, doch nicht am ersten Abend, sagst du. Fast entschuldigend, fast wehleidig, fast, als würdest du mit dir selbst um deine Prinzipien ringen.

Ich nicke. Versteh ich, sag ich. Du bist toll, sagst du. Und es klingt vertraut und ungemein ehrlich. Wir sehen uns morgen, fragst du. Ich nicke lächelnd. Wie könnte ich dich morgen nicht sehen. Wie könnte ich heute nach Hause gehen in dem Wissen dich nie wieder zu sehen. Ich könnte es nicht, sagte ich dir.
Du gabst mir den schönsten Kuss. Das schönste Lächeln. Die schönste Bewegung, als du dich auf einem Bein Richtung Tür drehst, die kleine Stufe zur Tür hochhüpfst und mir einen letzten Blick zuwirfst. Ich bin ein König in diesem Moment.

Ich traf dich wieder. Nach einem halben Jahr. Du warst bezaubernd, ich nicht. Peinlich berührt von meiner Anwesenheit kommst du zu mir. Fragst wie es geht, wir hätten uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich nicke stumm. Du erzählst von der Uni und vom Sommer und von dem Abend letzten Winter. Ein schöner Abend, fragst du. Warum hast du dich nicht gemeldet, frag ich. Du stutzt, du stotterst, deine Fassade bröckelt und du wirst unsicher. Ich hab geschrieben, Nachrichten, ich hab angerufen, ich hab versucht dich zu erreichen. Denn ich bin Optimist. Die Wochen ohne deine Antwort machten mich zum Realist. Ich gab auf und wurde zum Pessimist. Ich begrub dich. Diese Nacht, den Abend und Super700.

Warum hast du nicht geantwortet, zurückgerufen, mich getroffen und mir ehrlich gesagt, was du willst, was du möchtest, was du denkst. Alles wäre besser gewesen als das, alles. Sag ich wäre nicht dein Typ, du wolltest nur Spaß, du wolltest nur Spielen. Du wolltest mich am nächsten Tag nicht, alles wäre besser als das gewesen. Das sag ich dir. Ins Gesicht. Nein ich wollte dich, sagst du. Und ich will dich auch jetzt. Ich habe einen Fehler gemacht, auf meine Freundinen gehört, sagst du. Ich sollte mich bei dir nicht melden, sollte dich hinhalten, weil Frauen das so machen müssen, sagst du. Ich blicke halb bewundernd über deine Ausdauer, halb entsetzt über die Absurdität dieser Aussage mit glasigen Augen an dir vorbei.

Wollen wir uns morgen treffen, es tut mir Leid, sagst du und versuchst mein Shirt zu greifen und zu zerknüllen. Du weißt ich mag das. Ich weiche zurück, nur Zentimeter, doch es fühlt sich an, als stünde Sibirien zwischen uns.

Nein, wir treffen uns nicht, sage ich. Ich bin nicht auf Nachfrage verfügbar, denke ich. Es fällt mir schwer klar zu denken. Warum, fragst du mit einiger Überwindung und Ernsthaftigkeit im Gesicht. Deine Haare im Wind, deine Augen, deine Stirn, deine Lippen.
Weil Männer das so machen können.

Montag, 11. März 2013

text /// Die Kaputten.


Sie bricht vor ihm zusammen. Schweißgebadet. Ausgezehrt vom Leben der letzten Stunden und Tage, Wochen und Monate. In den letzten Minuten zerfiel sie vor seinen Augen, nur Zentimeter entfernt von seinen Armen – und doch konnte er ihr nicht helfen.

Sie lehnt an der kalten Mauer, die Zigarette kraftlos zwischen den Fingern. Tränen glitzern in der warmen Abendsonne und kühlen ihre hübschen Wangen. Vom Fluss zieht ein frischer Duft durch die Weiden am Ufer, die Stadt atmet aus. Ein letzter Sommerabend.

Still sitzt er neben ihr, zählt die Enten auf dem Wasser und die Kronkorken im Gras. Sein Kopf ist betäubt, seine Gliedmaßen schwer. Seine Lunge füllt sich mit Rauch, brennt, zischt und zieht. Er spürt all die Erwartungen, die ihn wie ein Mantel umschließen und seinen Kopf foltern, ihn nicht zur Ruhe kommen und ohnmächtig lassen, ihn ersticken und ihm die Knochen zersplittern. Kraftlos lässt er seine Gedanken zerfallen, begräbt seine Pläne das Schweigen zu brechen und füllt sich mit Leere – immer mehr.

"Weißt du manchmal“, sagt sie und wischt sich eine verklebte Strähne aus dem Gesicht, „ stehe ich vor unserem Bett und will nie wieder wach werden. Und manchmal beim Schwimmen tauche ich unter Wasser und will nicht mehr auftauchen. Manchmal nehme ich mir vor bei rot über die Straße zulaufen ohne zu gucken – es einfach mal drauf anzulegen.“

Ihre Stimme wird dünner, mit jedem Wort ringt sie mehr nach Fassung, kämpft um ihn.

Donnerstag, 7. März 2013

text /// Anfang. Frühling.


Leise zischt die Kaffeemaschine neben ihr, als er in die Küche kommt. Verschlafen blinzelt er durch die Fenster in den Innenhof auf die starken Äste der dicken Eiche – Sonne im Gesicht, erfrischt von der sanften Frühlingsluft, die durch das offene Fenster zieht. Es ist Frühling. Alles fühlt sich an wie ein Anfang. Sie steht am Küchentisch und trägt eine seiner buntesten Boxershorts und ein langes, ärmelloses Bandshirt.


Er lächelt. 
„Ist das etwa Frühstück?“, er fährt sich durch das strubblige Haar. 
„Klar“, sagt sie, grinst und stellt die Butter auf den Tisch. 
Sie zieht ihn zu sich und küsst ihn. Ihren Kopf presst sie an seine Brust und er versenkt seinen Kopf in ihren Haaren. Er schließt die Augen, umarmt sie. 



„Du riechst gut.“ 
„Ich war ja auch schon duschen“, lacht sie, „und bin seit 'ner Stunde wach. Aber du riechst auch gut.“ 
„Echt? Wonach?“ 
„Hm...nach meinem Bett“, überlegt sie kurz, greift hinter ihm nach den Brötchen und stellt sie auf den Tisch. 
„Dein Bett riecht auch wahnsinnig gut.“ 
„Ich weiß“, und ihr Lächeln treibt ihn in den Wahnsinn. Sie blickt ihn an und ihre großen, hellen Augen glühen und glitzern und sehen aus wie die Frühlingssonne. 
„Wie spät ist es?“ 
„Zehn.“ 
„Weißt du wann ich das letzte Mal um zehn gefrühstückt habe?“ 
Sie stemmt die Hände in die Hüften, beginnt zu Lächeln und stellt sich auf Zehenspitzen. 
„Gewöhn' dich dran“, flüstert sie ihm ins Ohr und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. 



Er spürt, wie sich ihre Hand in seinen Rücken presst und nach seinem Shirt greift, an dem Stoff zieht und wie sie mit der anderen Hand seine Schulter umschließt. Er atmet sie ein, fühlt ihre Haare auf seinem Oberarm, ihre nackten, warmen Oberschenkel auf seiner Haut und ihren Atem an seinem Hals. Alles in diesem Moment schreit nach Frühling. Nach Anfang.„Keine Wurst?“, fragt er mit einem Blick auf den Küchentisch. 


„Nee. Der Morgen ist süß, genau wie das Frühstück.“ 
Sie mustert seinen Blick. 
„Aber ich hätte Käse im Angebot.“ 
„Perfekt. Käse geht immer.“ 

Freitag, 1. März 2013

blog /// 'Ohne euch.' auf DER KLEINE FUCHS


Liebe Freunde, Leser und Supporter, 


heute möchte ich euch ein (noch) kleines Online_Literaturmagazin vorstellen. Es nennt sich 'Der kleine Fuchs' und bietet jungen Autoren die Möglichkeit, ihre Texte zu veröffentlichen. Nebenbei gibt es Lesetipps, Rezensionen und allerhand Wissenswertes. Ich freue mich, dass auch einer meiner Texte den Weg auf diese wunderbare Plattform gefunden hat. Quasi exklusiv könnt ihr meinen Text "Ohne euch." auf 'Der kleine Fuchs' nachlesen. Das Magazin freut sich über Anregungen und Einsendungen von neuen Texten, Hinweisen zu anderen Autoren und jegliche Unterstützung, die ihr gewähren könnt. Also: 



Teilen und Liken ist überaus erwünscht. ;) 


Nächtliche Grüße, Anton. 




Donnerstag, 21. Februar 2013

text /// Unser Applaus.


Dampf steigt auf. Regen trifft auf den weißen, sterilen Boden der Badewanne. Hinter mir ziehe ich den Duschvorhang zu, tauche ein in den warmen Schauer und schmecke das Salz, das aus meinen Haaren gelöst wird. Das Wasser fließt in kleinen Rinnsalen meinen Körper herunter, befeuchtet zuerst meine Schultern, meinen Nacken, meine Brust um sich dann in in unzähligen Bächen unter meinen Zehen zu sammeln. Ich schließe die Augen – der Regen klingt wie Applaus. Applaus für sie und mich.

Das Wasser brennt auf meiner Haut. Ich brauche diese Hitze um zu fühlen, dass ich fühlen kann. Alles andere ist seit Tagen und Wochen und Monaten stumpf und leer. Ich lehne an den kalten Fliesen und rieche ihren Duft, den ich eingesogen habe, mit jeder Pore und jeder Berührung. Doch meine eigene Haut widert mich an, der Geschmack ihrer Lippen ist plötzlich fad und falsch. Kraftlos rotieren meine Hände und massieren sie aus mir heraus – ihre Lippen auf meinem Hals, ihre Haare auf meiner Haut, ihre Finger an meinem Schwanz, die Erinnerung in meinem Kopf. Leblose Gedanken siechen mit jedem Tropfen, der auf mein Gesicht trifft, an meinem Körper herunter in die Weiten der Kanalisation. Und doch klebt der Dreck an mir wie ein Brandmal. Und ich versuche ihn abzureiben in der Hoffnung, nicht zu viel von mir selbst dabei zu verlieren. Denn ich will ganz und komplett und da sein.

Dienstag, 5. Februar 2013

text /// Rücklichter.


Die Erfahrung macht müde. Egal ob im Bett oder im Rausch: Schlaf findet er ohnehin nicht.
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Wie ein grauer Schatten zieht die Leitplanke an ihm vorbei. Aus der Dunkelheit rotzt ihm die Nacht fette, satte Regentropfen auf die Frontscheibe. Der Motor heult über die Autobahn. Bei zweihundertzwanzig ist Schluss. Rote Rücklichter ziehen an ihm vorbei wie Blitze im Nebel eines Sommergewitters. Seit Tagen unruhiger Schlaf, unterwegs auf der Straße ohne Ziel. In der Tasche noch Geld für einen halben Tank, zwei Softpacks Zigaretten und eine billige Unterkunft – vielleicht tauscht er das schäbige Autobahn-Bett auch gegen eine Flasche Whisky von der Tankstelle. Die Erfahrung macht müde. Egal ob im Bett oder im Rausch: Schlaf findet er ohnehin nicht. An den Osten erinnert er sich nur noch schemenhaft – und an die Gesichter der Weinenden.
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„Bleib doch hier. Wo willst du überhaupt hin?“
„Ich muss hier raus. Weg – ich muss hier weg.“
„Wohin fährst du?“

Im Norden sah er endlose Alleen und Dünen. Er saß einen Nachmittag lang am Meer und versenkte seine Füße im kalten Sand. Drachen stiegen über seinem Kopf in die Lüfte auf und trotzten dem Wind. Aus dem Hafen legten Fähren ab, noch weiter Richtung Norden fahrend. Richtung Kälte und Schnee, Richtung Wildnis und Nordkap. Sie luden ihn ein das Land zu verlassen und seine Gedanken im kalten Wasser des Atlantiks sterben zu lassen. Mit dem Kopf voran, hinunter in die Fluten bis das Meerwasser seine Adern bis zum Gefrierpunkt herunter gekühlt hätte. Eins mit dem Wasser würde er auf den letzten Kilometern des Nordatlantikstroms nach Norden gleiten. Entlang der Fjorde Norwegens an Felsen vorbeiziehen und irgendwann die unendliche Weite des eisigen Nordmeeres erreichen. Er würde mit den Fischen schwimmen, als einer von ihnen die Tage verbringen und auf die Fischersflotte warten, die ihn irgendwann aus diesem kalten Paradies erlösen würde. Doch so lange wäre er frei. Und dann im Netz, nach Luft stöhnend, wäre er frei für immer.
Als er aufwachte spürte er die Ketten an seinen Handgelenken und das Salz auf seiner Haut. Der Norden war ein Traum. Nichts weiter. Und die Träumenden konnten ihn nicht aufhalten.

„Und ich kann dich nicht umstimmen?"
„Dazu ist es schon lange zu spät.“
„Wohin willst du jetzt?“

Im Westen verlor er sich in den Städten und Lichtern der Laternen. Er trank mit Pennern und zahnlosen Bettlern an Straßenbahnhaltestellen. Er schlief nahe dem Dom und verrauchte seine Zeit an den Bars der Hotels, die er nicht bezahlen konnte. Die zahllosen Sonnenaufgänge über den Dächern der Stadt ließen den Schmerz langsam verschwimmen, den er beim Verlassen der Hansestadt in jeder Faser seines müden Körpers spürte. Das Loslassen war zu einem Loswerden geworden. Ein Leben getrieben vom Willen etwas loszuwerden – für ein paar Tage vogelfrei und nicht mehr als ein kühler Windzug in den Straßen der Stadt. Sein Methadon trank er aus der Flasche, sein Koffein war ein unbändiger Hunger auf die Nacht. Verzerrte Bilder von rauchenden Fratzen und wabbernden Lichtern sind alles was er sah. Klar und deutlich waren nur die wenigen Minuten zwischen Minibar und Kloschüssel. In denen fühlte er sich ausgeblutet – also füllte er seine Venen mit frischem Feuer. Und wenn er am Ufer des Rheins seine Augen schloss und die Beine über die Mauer baumeln ließ, dann entkam er dieser Nacht. Er folgte fliegend dem Flusslauf bis in die Wälder und spielte Verstecken mit den Mücken. Er badete im Morgentau und unterhielt sich mit der Natur. Einer dicken Frau in der Eckkneipe.

„Und wo kommst du her?“
„Ich weiß es nicht mehr.“
„Wohin gehst du jetzt?“

Im Süden wurde er zum ersten Mal eingeholt. Nach zwei Tagen an der Raststätte konnten ihn die Flaschen nicht mehr schützen. Der Startbildschirm seines Mobiltelefons betäubte ihn. Fassungslos versank er im Rücksitz und ertrank in der Leere seines Kopfes. Ohnmächtig und unfähig zu klaren Gedanken zu kommen sah er die Sonne aufgehen. Seine toten Blicke bohrten sich durch das Innenleben seines Autos und ekelten ihn an. Behäbig wälzte er sich durch die Polstersitze und verschwand in den Rillen, grub sich durch die Karosserie und lebte zwischen Kronkorken und Staub, Stahl und Blut. Regungslos kauerte er am Ende seiner Welt. Er starrte auf das Display seines Telefons und ignorierte das ständige Klingeln. Als er aus der vernebelten Umklammerung erwachte, war das Licht vor ihm erloschen, der Ton verstummt. Sein Körper brannte und zitterte, während er seine Tränen in den Sitz presste – unfähig seine Stimme zu halten. An diesem Ort hielt ihn nichts mehr.
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Wie ein grauer Schatten zieht die Leitplanke an ihm vorbei. Der Regen nimmt ihm die Sicht. Während unter ihm die Straße in endlosen Fäden vorbeizieht wird das monotone Rattern der Räder zu einer Sinfonie. Er hört sie.

„Wohin fahren wir?“
„Wohin du willst.“
„Dann fahr' uns nach Hause.“
„Wo ist das jetzt?“
„Egal wo. Wir sind das.“

Als er die Augen schließt sieht er sie neben sich auf dem Beifahrersitz schlafen, den Kopf zu ihm gewandt, leise atmend. Das blaue Licht der Armaturen bricht sich auf ihrer Haut und spiegelt sich in ihrem Haar, das sanft auf ihren Schultern ruht. Ihre Hand liegt warm und weich auf seinem Oberschenkel, in ihrem Schoß die Landkarten mit dem Weg nach Hause. Er öffnet die Augen und blickt in die Dunkelheit. Rote Rücklichter ziehen an ihm vorbei wie Blitze im Nebel eines Sommergewitters. Der Regen wird stärker und der Wind flüstert.

„Wohin willst du?“
"Nach Hause.“
„Und wo soll das sein?“
„Ich weiß es nicht mehr.“

Montag, 28. Januar 2013

text /// Seit wir uns kennen, bis wir sterben.


Er schaut sie an. Die Küche brodelt und blubbert. Auf dem Herd stehen Töpfe, gefüllt mit Liebe und Glück. Der wonnige Dampf legt sich wie ein Film aus Geborgenheit auf seine Haut. Home Sweet Home.


Wenn er sie so betrachtet, fühlt er Zufriedenheit. Ihre lockigen, offenen Haare trägt sie mit einem Stirnband wie goldenes Lametta, die Unregelmäßigkeit ihrer Sommersprossen lässt ihm vor Liebe den Atem stocken. Er sitzt auf dem Küchenstuhl, und könnte ihr pausenlos zusehen. Ihre vom Kochen in der sommerlich warmen Küche rosaroten Wangen glänzen im Licht der durch die großen, offenen Flügelfenster eindringenden Sonne. Sie wischt sich die Stirn, ihre Schürze weht leicht im Rhythmus eines Windhauches, der die Küche erfrischt. 



Das Kleid darunter zeigt die großen, gelben Sonnenblumen. Sein Lieblingskleid, es sieht so schön aus, wenn sie es trägt. Wie sie es trägt. Mit welcher Eleganz und purer Glückseligkeit sie sich in dem kleinen Raum dreht und wendet. Wie geschmeidig das Kleid über ihre Hüfte streicht, wenn sie sich nach Töpfen, Messern, Gabeln, den kleinste Sieben und den größten Schneebesen, dem feinsten Zucker und den erlesensten Gewürzen streckt.

Donnerstag, 17. Januar 2013

text /// Wir können keine Freunde bleiben.


Deine Augenringe verraten dich. Ich weiß wie es um dich steht. Du zählst die Zigaretten die ich rauche und du weißt, was ich denke.
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Und wir sitzen nebeneinander. Das Bier ist längst schal. Der Zigarettenqualm verwandelt den Raum in ein Dickicht aus Grau und Nebel. Der Bildschirm vor uns flimmert in blassem blau und grün. Zwischen uns liegt der Aschenbecher, dein zerknülltes Softpack ist seit Mitternacht leer. Durch das dreckig-milchige Fenster dämmert der Morgen.

Früher haben wir so viel geredet – über Beziehungen und deine Arbeit und mein Studium und deine Eltern und meine Frauengeschichten. Jetzt sitzen wir nebeneinander und schweigen. Du siehst müde aus, doch keiner von uns denkt daran ins Bett zu gehen. Keiner wird zurückgelassen. Wir sind wie Soldaten im Schützengraben: alle oder keiner. Und sollte diese Dämmerung noch Tage dauern, wir bleiben wach.

Deine Augenringe verraten dich. Ich weiß wie es um dich steht. Du zählst die Zigaretten die ich rauche und du weißt, was ich denke. Ich habe keine weisen Lösungen für dich, keine Durchhalteparolen und keine gut gemeinten Ratschläge. Wir wissen, dass du kurz vor dem Ende stehst und dass der Ast nach dem du greifst, für dich unerreichbar scheint. Dieser Abend ist der letzte Zentimeter vor dem Wurmloch, das alles verschlingen wird.

Freitag, 4. Januar 2013

text /// Dein wunderschöner Name.


Ein paar Eingänge weiter stünde dein Name am Klingelschild. Du würdest vielleicht im Vorderhaus wohnen, oder im Seitenflügel – ganz egal.
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Und ich wünschte, du würdest ein paar Häuser die Straße runter wohnen. Um mit dir zu sprechen, bräuchte ich nicht mal ein Telefon. Um dich zu sehen, bräuchte ich keine Webcam. Ich würde die Treppen hinunterspringen, durch den Hof an den Mülltonnen vorbeihüpfen und die schwere Holztür am Eingang aufschieben, genauso wie ich es zu Kindertagen gemacht habe, als Freunde sich noch trafen und nicht skypten. Ein paar Eingänge weiter stünde dein Name am Klingelschild. Dein wunderschöner Name. Du würdest vielleicht im Vorderhaus wohnen, oder im Seitenflügel – ganz egal. Ich würde nachts betrunken Herzen an die Hauswand sprühen und jeden Morgen würdest du sie dir ansehen und an mich denken. Jeden Morgen. Und jeden Abend, wenn du wieder nach Hause kämst.

Ein Fingerdruck und ein paar Wände zwischen uns. Du würdest über die Rufanlage fragen, wer denn um diese Zeit klingle. Du würdest die Antwort schon kennen – schon bevor du den Hörer abnehmen würdest wüsstest du es. Und du würdest lächeln. Das Surren des Schlosses wäre für mich das schönste Geräusch des Tages, und ich bekäme jedes Mal wieder Gänsehaut, bei jedem Knarren der hölzernen Treppenstufen hinauf in deine Wohnung. Oben angekommen, wenn der warme Duft deiner Wohnung durch die Tür dränge, hinter der du immer auf mich warten würdest, nähme ich dich in den Arm. Meinen Kopf würde ich in deinem Haar vergraben, während ich über deine weichen, warmen Schultern streichen und dich ganz und gar bei mir haben würde. Und für viele Sekunden ließe ich dich nicht mehr los.