Montag, 27. Oktober 2014

text /// Ablehnungsbescheid.

Sehr geehrte radikale Salafisten, Nationalsozialisten und gewaltbereite rechte Hooligans,


vielen Dank für Ihre Bewerbung auf unsere Stelle "Retter der Nation". Ihren Einsatz zur Schaffung einer besseren Gesellschaft verfolgen wir sehr interessiert. Egal ob politisch oder religiös motiviert: die Vergangenheit hat zu genüge gezeigt, dass Extremismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit in jedem Fall zu einem funktionierenden, florierenden, kulturfördernden, kunstschaffenden und gesunden Staatssystem gehören - ganz genau wie das versteckte Hakenkreuz zwischen den Hirnlappen und Hass in der Blutbahn.



Auch Ihre Vorstellung einer reinen Rasse oder Glaubensgemeinschaft ohne Verbindungen zu anderen Menschen und Staaten klingt durchaus interessant und gut umsetzbar. Gerne können Sie uns Ihre Vorschläge zur Rentenpolitik, Sozialpolitik, Innen- und Außenpolitik ohne Migration und eine Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation zukommen lassen. Bringen Sie die Unterlagen doch bitte auf dem persönlichen Weg, selbstverständlich nur durch den Einsatz von heimischen Ressourcen, in unsere Büros.



Dienstag, 12. August 2014

text /// Sandbänke.

Irgendwann hast du mal gedacht, du könntest über Wasser gehen. Immer weiter bis zu den Sandbänken ein paar hundert Meter vor der Küste. Hinter dir verschwanden erst die Muscheln im Schaum der Wellenlinien, dann verschwanden die Trümmer der Sandburgen im verschwommenen silberweiß des abnehmenden Mondes. Kinderlachen verebbte und erstarb schließlich, als die bunten Schirme am Strand von Böe um Böe niedergerungen wurden. Der Geruch von Sonnenmilch und Zigaretten konnte dir nicht mehr folgen, als der Wind stärker flüsterte und dich an der Hand weiter über die glitzernde Oberfläche führte.

Jeder Blick zurück ließ die Dünen schrumpfen. Der starre, winddurchflossene Strandhafer erinnerte dich an Haare, die sich bei Gänsehaut auf deinen Armen aufstellten und deine vom Salz ganz ausgetrocknete Haut fast aufzubrechen vermochten. Nur gefroren hast du nie. Und deswegen hast du dich umgedreht und bist weiter gelaufen. Unter deinen Füßen glaubtest du die Wellen zu spüren; tosend und brausend meintest du sie tief unter dir durch das unendliche Meer rollen zu hören. Dass sich fern im Osten der Regen über der Welt zusammenbraute und am Horizont die Blitze zuckten, sahst du nicht. Dein Sturm lag schon immer tief vergraben, im Meer versenkt und gehütet von Abermillionen Jahren zwischen Plankton und Schlamm. Keinen Gedanken hattest du je an den grauen Himmel verschwendet, keinen an die Sonne und keinen an den Mond, der dir auf deinem Weg in dieser Nacht doch so zuverlässig den Weg leuchtete. Als du Sand unter deinen Füßen spürtest, waren die Robben längst geflohen und in alle Winde ausgeschwärmt. Fast zu spät hatten sie dein Kommen bemerkt und sich verwirrt und überhastet in die Fluten stürzen wollen. Und du hast sie alle betrogen – du hast sie alle betrogen. Einige konntest du noch sehen, die Schwerfälligen, die Missgestalteten. Die Schwachen und die Kranken, denen du beiläufig einen Blick über das Meer hinterher schicktest. Einen Blick voller Desinteresse und Gleichgültigkeit, kalt wie die Sohlen deiner Füße, hart wie das Eis an deiner Haut.

Mittwoch, 16. April 2014

text /// Hoffnung.

Du bist den ganzen Weg gerannt. Und es hat die ganze Zeit geregnet. Dicke, runde Tropfen fielen wie trunkene Hummeln zu Boden und hinterließen seelengroße Krater links und rechts deiner zitternden Schritte. Saurer Regen rann dir über die Haut und brannte sich zwischen Augen und Herz tief in das Fleisch deines Körpers, den du so tapfer immer weiter nach vorne triebst. Und das Brennen deiner Lungen hielt dich wach, und das Pochen in deinen Schläfen gab deinen Beinen einen Takt. Einen Takt der Jahrmillionen überdauern könne, dachtest du.

Ein Weg, gepflastert mit Scherben aus Schweiß und Blut tat sich hinter dir auf und verschwand vor dir in einer dünnen Linie am Horizont. Es war immer die Krümmung der Welt und Gezeiten, die dir die Sicht auf dein Ziel vorenthielten und dich zweifeln ließen, dich zum Umkehren und Aufgeben zwingen wollten. Doch du bist den ganzen Weg gerannt. Mit nassen Haaren und Wasser in den Augen, mit Krämpfen in den Waden und einem Geschwür im Magen, groß wie ein Leben und traurig wie ein Bildnis von van Gogh. Aller von dir abgeworfener Ballast ließ dich schwinden, im fahlen Lichtspiel von dunkler Sonne und hellen Blitzen, ließ dich dünner werden. Mit jedem Ausatmen löste sich ein Teil deiner Selbst in Staub auf, sodass du das Atmen aufgabst und luftlos nach Hilfe schriest. Doch keiner hörte zu. Denn niemand war da. Und es hat die ganze Zeit geregnet. Und du bist den ganzen Weg gerannt.

Donnerstag, 13. Februar 2014

text /// Du. Der Wal.


„Nur schlafen kann ich nicht. Da ist noch zu viel. Zu viel haben wir einfach nie gesagt. Zu viel steht im Raum und egal welche Schulter ich voran drücke, ich hab immer das Gefühl, ich kann mich nicht vorbei zwängen. Auf zwanzig Quadratmetern steht sie mir im Weg und grinst zwischen Einbauküche und Couch so lieblich. Sonnendurchtränkt steht sie vor mir im Dunkel und unter einer Haarsträhne blitzen ihre Augen mich an, während sie sich ganz langsam in den luftleeren Raum zwischen mir und der Tür schiebt. Es gibt kein Entkommen. Kein Weg vorbei. Nur kalte Mauern oder warme Haut und die Wahl zwischen beiden sollte mir nicht schwer fallen – doch irgendwie tut sie es.

Atemlos, wie nach tausend Stufen, stehe ich nur Millimeter vor ihr, spüre ihren Atem und das Glitzern ihrer Gedanken und bin geblendet von der Farbe ihrer Haut. Ihre bloße Anwesenheit lässt mich zittern, gedankenverloren Löcher im Raum zählen und butterweich auf Zahnstochern einen Schritt neben den anderen setzen. So fühlt man sich also im Maul vom Wal. Meine Harpune hab ich schon lange an den Nagel gehängt. Waffenlos zwingt mich die Enge zum Rückzug, oder eben zum selbstlosen Angriff nach vorn. Die Gezeiten sind schon lange über uns eingebrochen, haben uns mehrfach in Ebbe und Flut an Strand und Sandbank gespült und uns Salz und Wasser und Tran und Sand schmecken lassen. Doch nicht alles, was den Wellen unterliegt wird abgerundet und weich und zu einer matten Scherbe im Sand – aller Ecken und Kanten beraubt und ohne tiefe Schnitte im Fleisch Richtung Sonne streckbar. Unser Scherben-Kaleidoskop funkelt und bricht die Farben so wie wir es wollen, doch bilden die Schatten ihre Fratzen an den kahlen Wänden der heruntergelassenen Rolläden und ich spüre nur Zweifel und will flüchten. Flucht ist kein Ausweg. Eine Flucht vor ihr kann nicht der einzige Weg sein, um zu flüchten – vor mir. Dabei will ich nicht weg. Ich will gar nicht weg. Eigentlich, eigentlich will ich nur viel näher zu ihr. Es geht nur nicht. Und ich weiß nicht warum.“

Er reicht mir die Selbstgedrehte Grüne und schenkt uns beiden das Glas halbvoll ein. Seine Augen starren an die vergilbte Tapete, als er sich auf dem Sofa zurücklehnt. Ich nehme einen Schluck und schicke eine Rauchwolke auf die Reise. „Weißt du was ich meine?“

Mittwoch, 1. Januar 2014

text /// Der Takt der Raketen.


Und mein Kopf macht `BummBumm` zum Takt der Raketen. Und mein Augen sind auf den Himmel gerichtet. Alles scheint gelb und grün und rot und blau über den Dächern zu vergehen. Eine Nacht so klar, dass ich die Häuserdächer in Mitte sehen kann. 

Der warme Dunst der Wohnung wärmt mir den Rücken, die kalte Nachtluft durchflutet meine Lungen und lässt mich einsam sein, Schreie und Rufe und die Konversation der Anderen vergessen. Der Blick aus dem geöffneten Fenster zeigt mir den Moment. Den Moment, in dem ein Absprung eher Wirklichkeit als Fiktion ist. Die Koffer sind gepackt, in dieser Wohnung hält mich nur ein Klingelschild und die Faulheit, einen Nachsendeantrag bei der Post einzureichen.



Pläne sind gemacht. Pläne sind besprochen. Doch allein ein Plan macht keine Zukunft aus. Die Dunkelheit der vier Stockwerke unter mir säuselt verlockend im Wirrwarr der Raketen und Feuerwerksbatterien. Alles ist erleuchtet. Alles strahlt im Neon-Glanz.