Mittwoch, 14. Januar 2015

text /// Goldgräber.

„Siehst du die ganzen Lichter da hinten?“ Ihr Blick umklammerte die blinkenden Punkte im dunkelgrau der Nacht. Von links nach rechts schob sich ihr Blick durch die Lüfte, machte kehrt und suchte erneut die Ferne nach Lampen und Leuchten ab. Es war ihr, der Wind umhüllte kalt ihre Ohren, als würden alle Lichter dieser Welt um Hilfe rufen. Egal ob sie stur und starr an einem Ort verweilten oder ihr Heil in der langsamen aber steten Flucht nach vorn und zurück suchten – es waren für sie die stummen Schreie der zähen Zeit. Nichts ahnend von ihrem Übel, ihrem Gefängnis, dienten alle Lampen und Lichter und alles Leuchtende auf der Welt stetig und emsig dem Verderben der Anderen, dachte sie sich und ihr Kopf surrte vom vielen Denken. 

Vielleicht wäre, würde sich ihr Leben in einem französischen Film abspielen, ihr böser Stiefvater ein arglistiger Lampenladenbesitzer. Ohne Liebe, ohne Vernunft oder Reue. Er würde ihre Mutter nur wegen des viel zu hohen Erbes bezirzt haben und hatte insgeheim schon vor deren Tod das Geld verplant, um auf dem landadligen Familienbesitz eine Fabrik für noch mehr Lampen zu errichten. Um sie zu knechten. Und noch mehr Lampen zu erfinden. Um sie ins Dunkel zu treiben und ewig brennen zu lassen. In diesem französischen Film würde sie jedoch bald schon mit den inhaftierten und geschundenen Lampen sprechen, oder wenigstens mit dem Nachbarsjungen eine Befreiungsmission für diese starten. Zusammen würde ein Komplott ausgeheckt und schließlich müsste der böse Stiefvater das Gut verlassen – nachdem einige Kisten Feuerwerkskörper, die eigentlich für die feierliche Übergabe des Erbnachlasses gedacht waren, über dem Landhaus die Nacht erhellten.