Und eigentlich sind wir uns noch
immer fremd. Aber dein Name steht auf meinem Badezimmerspiegel. Du hast ihn dort hingeschrieben, vor Wochen schon. Wenn der Wasserdampf den Raum flutet und die Luft schwerer wird, dann kann ich
ihn sehen. Eingerahmt in die Abdrücke unserer Hände, von dem Tag, als wir das letzte Mal
miteinander schliefen. Dann lese ich ihn vorwärts und rückwärts und grinse in den matten Dunst.
Und während meine Zahnbürste leise surrt, verschwinden zuerst unsere Fingerspitzen, dann
die Hände, dann dein Name und am Ende bleibt mein Spiegelbild. Und dann haben wir uns vor
meinen Augen aufgelöst. Nur deine Haare auf dem Badezimmerboden bleiben noch.
Montag, 8. August 2016
Mittwoch, 25. Mai 2016
text /// Der Himmel zwischen Hamburg und hier.
Tausend Kiefern pro Sekunde ziehen hinter der Scheibe an mir vorbei. Mein Blick schafft es nicht auch nur an einer hängen zu bleiben, und so verschwimmt das Bild auf der anderen Seite des Fensters zu einem flüchtigen Matsch aus Grün und Braun und trübem Dämmerlicht. Ich schmecke noch Hamburg auf meiner Zungenspitze und spüre die schwere Elbe in meiner Lunge. Einatmen. Und hinter mir wird der Norden dieses Landes kleiner und versinkt in azurblau und gold. Und der Himmel zwischen Hamburg und hier leuchtet, als hätte er sich dich zum Vorbild genommen. Und dann schlägt mein Herz, flüstert Olli Schulz durch den Waggon. Die Gewitterwolken schieben sich von Süden heran und bringen die Luft zum Vibrieren. Angespannt warte ich auf die ersten Explosionen in den Wolken, in deren Richtung sich der Zug unbändig durch die schwere, warme Frühlingsluft bohrt. Das Flirren am Himmel erinnert mich an dich und ein zu Hause, das es niemals gab. Obwohl sich alles nach einer endlosen Reise anfühlt, habe ich das Heimkehren nicht vermisst.
Mittwoch, 20. April 2016
text /// Riesen.
Und wenn alle Frauen auf der Welt
Bands wären, dann wäre sie Death Cab For Cutie. Weil ich sie seit Jahren kenne
und wann immer ich sie sehe, meine Welt ein Stückchen kompletter wird. Und weil
mich alles was ich von ihr höre in Watte packt und ruhig schlafen lässt. Selbst
wenn ihre Worte schmerzen und mir so lange die Beine brechen, bis ich auf dem
Boden angekommen bin. Am Ende steht die Heilung – irgendwann. Mit jedem Wort
flirrt Hoffnung und Zuversicht durch den Raum. Wenn wir uns ein paar Tage oder
Wochen nicht sehen, uns dann über den Weg laufen, dann fühlt es sich an wie
eine Rückkehr an Omas Abendbrottisch – vertraut und heimelig, wie ankommen nach
einem langen Fußmarsch durch die endlosen Kiefernwälder in Brandenburg. Mit
einem leeren Pilzkorb zwar, aber der Gewissheit, dass mit Liebe aufgetischt
wird. So fühlt sich das an. Wenn sie eine Band wäre, dann wäre sie Death Cab
For Cutie.
Freitag, 8. April 2016
text /// Dreihundertsechzehn.
Unten rumpelt eine Straßenbahn über den nassen Asphalt. Wir sitzen, eingewickelt in Decken, rauchend und stumm auf dem Balkon und sehen den Narzissen zu, wie sie im Wind abknicken und mit großen Augen in die Häuserschlucht schauen – kurz vor dem Fall, aber immer noch mit einer dünnen, starken Wurzel im Blumenkasten vergraben. Auf dem Lavendel des Nachbarbalkons waren gestern mehr Bienen als auf meinem, das ärgert mich. Es liegt an den traurigen Narzissen, die müssen wieder weg.
Samstag, 19. März 2016
text /// Der Norden in mir.
Und wir treten nicht mehr in die
Ketten, wir lassen uns rollen. In deinem Fahrradkorb klimpern die Weinflaschen.
Du fährst neben mir und die Sonne verschwindet langsam hinter den
Plattenbauten. Der Rauch deiner Zigarette zieht in dünnen Fäden in den warmen
Frühlingshimmel und alles um dich herum glüht im Flimmern der letzten
Augenblicke des Tages. Es ist zum ersten Mal richtig warm. Ich sehe dir von
hinten über die Schulter und kann dein Lächeln nur erahnen. Es schmückt dein
Gesicht in den lieblichsten Zügen. Du fühlst dich frei mit dem Wind im Gesicht,
hast du mir mal erzählt. Und am wohlsten fühltest du dich am steilen Abhang am
Nordkap. Zwischen Felsen und glasklarer Luft und dem feuchten Salz auf deiner
Haut. Denn der Gedanke an ein Ende, das Ende deines Kontinents, ließ dich
glühwürmchenhaft alles um deinen dünnen Körper erleuchten.
Samstag, 5. März 2016
text /// Leseprobe: Kapitel Zwei aus "Wir sind am Ende."
Folks,
das ist Kapitel Zwei aus meinem Kurzroman "Wir sind am Ende." als Leseprobe. Das Buch hat weder einen Erscheinungstermin, noch einen Verlag, noch ist es fertig. In loser Reihenfolge werde ich aber in den kommenden Monaten das ein oder andere Kapitel veröffentlichen. Ich hoffe euch gefällt's und ihr habt Spaß beim Lesen. Eure Meinung interessiert mich mega! Hoch die Tassen!
________
Kapitel Zwei
Wir hatten uns vorher drei oder vier
Mal gesehen. Meistens ziemlich betrunken auf Konzerten oder Geburtstagen von
Freunden. In Wahrheit hatten wir nach dem ersten belanglosen Treffen
festgestellt, dass wir uns auf zwei Dinge ohne Wenn und Aber verständigen
konnten: Gin Tonic und Whisky Cola. Dieser Moment, wenn du einen alten Freund
eines Freundes im Huxleys völlig betrunken an der Bar triffst, seinen Namen nur
erahnen kannst und seine Freundin attraktiver als dein Date findest, schweißt
zusammen. Vor allem, wenn seine Freundin mit dir für den Rest des Abends Gin
Tonic und Whisky Cola trinkt, während er völlig fertig an der Bar lehnt und bei
jeder Textzeile die obligatorischen Zehntelsekunden zu spät die Schlagworte
schreit. Marie nahm es mit Fassung. Und mit Whisky. Als wir uns verabschiedeten
dauerte ihre Umarmung einen Moment zu lange. Und sie war einen Tick zu fest. Und
sie sagte die Worte „Bis bald“ etwas zu heiser und wehmütig. Was mir von diesem
Abend außer einem Kater blieb? Die Erkenntnis, dass sonst immer ich betrunken
an der Bar rumhänge. Für diesen Moment hatte ich alles richtig gemacht.
Dienstag, 23. Februar 2016
text /// Die Runden gehen auf mich.
Lass uns die Gläser heben. Auf die vergangene Zeit. Auf die
Sekunden und Minuten und Stunden. Auf die gemeinsamen Tage und Wochen. Auf
unsere Jahre, die von jetzt an kleiner werden. Lass uns laut singen und schreien
und tanzen, die Stühle umwerfen und unser Geschirr gegen die kahlen Wände schmeißen. Lass uns die Möbel verbrennen und die Fenster zerschmettern. Lass uns
die Schränke zertrümmern und nie wieder aufbauen. Lass uns den Boden aufreißen
und über dem Abgrund balancieren. Lass uns ein Ende feiern.
Sonntag, 24. Januar 2016
text /// Wir sind am Ende.
Prolog.
Auf den Klinken liegt der Staub der letzten Jahre. Und die
Pflanzen sind verdorrt. In Wahrheit war ich schon lange nicht mehr hier und hab
schon lange keinen Platz mehr zwischen diesen Kartons. Neben den alten
Kaffeetassen glänzen die Ringe der Bierflaschen auf dem Holz. Die Heizungen
sind kalt und die Luft riecht nach Teer und Kalk. Und das Blei an meinen Füßen
bricht in Stücke. Und der Beton in meinem Magen löst sich auf. Draußen scheint
die Sonne in die Höfe. Ich gehe ans Fenster und wage einen letzten Blick
hinaus.
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