Dienstag, 23. Februar 2016

text /// Die Runden gehen auf mich.



Lass uns die Gläser heben. Auf die vergangene Zeit. Auf die Sekunden und Minuten und Stunden. Auf die gemeinsamen Tage und Wochen. Auf unsere Jahre, die von jetzt an kleiner werden. Lass uns laut singen und schreien und tanzen, die Stühle umwerfen und unser Geschirr gegen die kahlen Wände schmeißen. Lass uns die Möbel verbrennen und die Fenster zerschmettern. Lass uns die Schränke zertrümmern und nie wieder aufbauen. Lass uns den Boden aufreißen und über dem Abgrund balancieren. Lass uns ein Ende feiern.



Lass uns Schnaps saufen. Aus viel zu großen Humpen, aus viel zu billigen Flaschen. Lass uns rauchen und im Nebel versinken, bis wir uns in den Ecken unserer Zimmer nicht mehr wiederfinden. Lass die Musik an, bis uns die Ohren summen und unsere Beine zucken und dann lass sie uns weiter aufdrehen. Lass uns ohnmächtig aufwachen und der Vernunft noch einmal die Hose ausziehen. Lass uns die Nacht mit Geschichten füllen und dem tiefsten Schwarz einen Schatten abringen. Wir versilbern das goldene Schweigen mit Geschichten – reden über uns gegen den verdammten Müll der Welt. Lass uns das Ende feiern.

Lass uns Erinnerungen leben, blutrot und tiefblau. Schöner als die Nacht und gefährlicher als das Verdrängen. Lass uns mit Feuerwerk am Rand der Badewanne einschlafen und erst im warmen Ozean wieder aufwachen. Auf einem hölzernen Floß mit Kurs auf die Antillen. Wortlos dahintreibend. Im Wind ohne Segel, mit Rudern ohne Kraft. Aber das Ziel vor Augen. Lass uns Gezeiten sehen und verhöhnen und vergessen und am Ende doch versagen. Lass uns lachen, weil uns sonst nichts übrig bleibt. Lass uns dieses Ende feiern.

Lass uns jede Träne weinen, die uns jetzt vollständiger macht. Lass uns jeden Schmerz verdauen um aufrichtiger zu sein. Wir haben Felsen gehoben und Berge zermalmt, wir haben aus Leiden Liebe gemacht. Wir haben Großes geschaffen und Großes verloren. Soweit kommen nur die Guten. Lass uns jede Detonation feiern wie ein neues Leben. Und lass uns weitermachen wie Kinder. Ohne Furcht vor dem nächsten Sturz. Lass uns die Brille der Vernunft absetzen. Lass uns mit geschlossenen Augen auf Bäume klettern. Mit sicherem Griff zwischen nassen Ästen. Und lass uns nie weise werden. Lass uns daraus nur das Nötigste lernen, denn am Ende kommt der Rest von selbst.
Lass uns das feiern.



Lass uns noch einmal im Chaos untergehen. Jeder für sich. Lass uns die Gläser heben. Ein letztes Mal auf uns. 

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