Mittwoch, 25. Juli 2012

text /// Vom Öffnen und Schließen der Tür.


Der Moment zwischen Tür und Angel und Stühlen. Der Moment zwischen dem Glück.
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Die Wohnungstür schließt sich, du gehst hinaus und ich kann dich nicht einschätzen.
Und ich weiß nicht wer du wirklich bist, als Mensch. Und ich weiß nicht was ich wagen darf und will und tun kann, um Gewissheit ins Dunkel zu bringen.

Du bist der wunderbarste Mensch, der verständnisvollste Zuhörer. Wir sind unterschiedlich und finden doch zusammen. Und ich kann dich nicht einschätzen. Wir verbringen die Tage im Gespräch, und die Zeit rennt uns immer einen Meter vorweg. In deiner Nähe bin ich zufrieden- auch ohne dass wir reden oder etwas tun. Ich bin froh dass du da bist. Glücklich. Du strahlst Glück und Ruhe aus- und Geborgenheit und Leichtsinn. Deine Nähe gibt mir ein gutes Gefühl, ich fühle mich wohl.

Du bist der wunderbarste Mensch in diesen Augenblicken. Du bist erwachsen und verspielt zur gleichen Zeit. Du bist naiv, clever, smart und anziehend. Andere würden sagen du siehst wohl gewöhnlich aus, wie ein Mädchen Anfang zwanzig eben. Gut zwar, aber eben nicht außergewöhnlich gut. Ich mag wie du aussiehst, deinen für andere gewöhnlichen Stil in einem nach Außergewöhnlichkeit lechzenden Berlin. Er ist nicht billig, überdreht "trendy" oder überspannt alternativ- nein, er ist nicht mal gewöhnlich- er ist wie du, er ist schön. Ich mag ihn. Ich mag dich.

Samstag, 14. Juli 2012

text /// Was ist es?


Du bist Familie geworden von Tag zu Tag.
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Du meinst du kennst mich.
Wir kennen uns zehn Jahre lang, sind zusammen erwachsen geworden.

Du bist Familie geworden von Tag zu Tag. Du bist Bezugspunkt, Anker und Pfeiler geworden.
Doch der Punkt wird kleiner, der Anker leichter, der Pfeiler dünner. Die Momente in denen sie wieder wachsen werden kürzer, kühler, rarer. Dennoch führst du die Liste an. Bist immer noch oben. Weißt wie ich ticke, aber nicht was mich bewegt.

Du weißt nicht was mich bewegt. Das ist es.

Sonntag, 8. Juli 2012

text /// Im Treppenhaus.


Sie roch nach Mundwasser und Gleitgel, als sie die Wohnung verließ. Die Augenringe hinter Farbe versteckt, tiefe Furchen in ihrer jungen Stirn.
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Sie roch nach Mundwasser und Gleitgel, als sie die Wohnung verließ. Die Augenringe hinter Farbe versteckt, tiefe Furchen in ihrer jungen Stirn. Gut gezogener Lippenstift und müde, fahle Augen. Die Wangen warm und vom Rouge rosig, glitten jedoch ihre zitternden, kalten Finger am rot lackierten Treppengeländer abwärts. Ihre blonden Haare fielen aus der tief in ihr Gesicht gezogenen Kapuze wie dünne Fäden jugendlicher Leichtigkeit auf die bis zu ihrem Busen zugezogene Lederjacke. Ihre Beine tasteten sich langsam die Treppenstufen herab, Stufe für Stufe. Ihr Magen verkrampfte mit jeder Erschütterung die sie durchfuhr, wenn einer ihrer Absätze die nächste Treppenstufe fand. Im blassen Licht der goldenen Wandlampen hielt sie inne, blickte durch den geräumigen Treppengang nach oben. Hierher würde sie nie wieder zurückkehren. Nie wieder.

Ihre Gedanken drehten sich und sie hatte das Gefühl, sie könne spüren wie sich die Erde bewegt. Beständig, langsam, zuverlässig. Vielleicht war es das beste Gefühl seit langem, zu wissen, dass sich die Erde dreht – und es zu spüren. Die Schmerztabletten ließen nach. Die Krämpfe zwangen sie zu einer Pause. Erschöpft sank sie auf den Treppenabsatz. Vielleicht im dritten Stock, oder doch noch im Vierten? Angestrengt versuchte sie ihren Blick auf die Klingelschilder der altehrwürdigen, schwarzen Holztüren zu richten. Das flaue, leere Gefühl in ihrem Magen drehte sich schlagartig. Übelkeit überkam sie und ihr Blick verschwamm. Ausgelaugt versank ihr Gesicht in der Beuge ihres rechten Armes. Mit dem linken stütze sie sich am Geländer ab, hielt sitzend das Gleichgewicht. Sie tastete zu ihrer Jackentasche, ein verschmiertes Foto einer Frau, die längst aufgehört hatte sie zu kennen. Groß und blond, vor Jahren im Herbst hatte sie es geschossen. In der neuen Wohnung. Mit dem neuen Mann. Damals. Lange her.

text /// Großvater am Meer.


Ein weiterer pathetischer Text über Liebe.
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Da steht er, am Strand. Barfuss, die Zehen in den lauwarmen Atlantiksand gepresst. Starr vor Ehrfurcht blickt er auf die weite See und blinzelt. Seine Brille liegt ein Dutzend Meter entfernt auf der Decke. So sieht er die kleinen Punkte am Horizont nicht, die großen Ozeanriesen kilometerweit entfernt. Und da er sie nicht sieht, wirkt das blaue Monstrum vor ihm noch gewaltiger. In der linken Hand hält er ihr Foto.

Sein Tuch flattert in Richtung Stadt, sein dünnes, hellblaues Shirt drückt sich gegen die Konturen seines Oberkörpers. Gezeichnet von der Zeit und einem guten Leben, wölbt sich sein Bauch hervor und offenbart eine über die Jahre entwickelte Leidenschaft für Biergenuss. Ansonsten scheint er gut in Form zu sein. Seine Haare sind freilich dünner, seine Augen müder als vor Jahren. Falten ziehen sich durch sein Gesicht und über die Hände. Ein wenig krumm vom langen Arbeitsleben ist er. Und dennoch strahlt er Wärme aus, wie ein rundlicher Kachelofen, dessen Feuer mit Erinnerungen geschürt wird. Guten und schlechten, denn das macht ein Leben aus. Und seines umso mehr.

Er wirkt nicht alt, nicht gebrechlich. Er steht am Strand und trotzt dem Wind, blickt ihm und dem blauen Atlantik ins Gesicht als wolle er sagen: Ich bleibe. Ich bleibe noch. Er ist ein starker Mann. Das war er immer.

text /// Mein Goldener Käfig.


Oder: Was ich über Spatzen zu sagen habe.
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Allein in den Straßen. Nebel im Park. Neben mir die schwere Kühle, nasskalter Atem auf der Bank an der Ecke. Zigarettenfilter zu meinen Füßen. Ich höre meine Uhr ticken, jeden Schlag der Zeiger wie ein donnerndes Dröhnen von den Mauern der Häuser um mich herum durch die Luft wabbern. 

Kein Ton sonst. Kein die Stille zerreißendes Aufbegehren der Stadt außer dem entfernten Rauschen der Güterzüge. Die Stadt ruht und so ruhe ich, inmitten der Natur zwischen jeder Fuge, jedem Stein, jedem Kabel und jeder künstlichen Tristesse der schwarzgrauen Architektur meines Viertels. Für kurze Zeit eins mit dem Lebensraum in meinem Lebensraum, der vergessenen Stille der Stadt ohne Menschen. Dem Hohlraum in der Großstadtzivilisation. Kein klirrendes Summen der Motoren, kein zirrendes Schallen der Technologien. Nur Rauschen, nur Rauschen.

Pulsierendes Blut in meinen Ohren. Klare, nach Tabak und Ahornblättern duftende, kalte Sommernachtsluft in meinem Kopf. Über mir nur die Lichter der Stadt und ein offener Himmel, der alles zu verschlingen vermag. 

Einsamkeit. Pure Einsamkeit in einer Stadt, die aus Überfluss und Übelkeit jeden Tag mehr und mehr Menschen auf ihre Straßen kotzt und in der Ödnis aus Pflastersteinen und eingemauerten Blumenbeeten qualvoll abstumpfen lässt, sie scheucht und verdirbt, verletzt und zermürbt bis sie sich nach Stunden der Hatz zurück in ihre Kästen aus halbwahrer Geborgenheit und individueller Massenkompatibilität flüchten um sich das Erbrochene von der Haut zukratzen.

text /// Oder nichts von beidem?


Ich soll über dich schreiben. Wo fange ich an? Bei einer Zigarette am besten. Ich zünde mir eine an. Du rauchst nicht.
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Unsere Beziehung ist ein Schmugglerlager. Alles Hehlerware. Alles ist schon durch unzählige Hände gelaufen und wurde tausendfach berührt. Von schmutzigen Händen. Von fremden Händen. Von Händen die dir nicht gehören.

Eine Inventur ist nötig. Ich als Kopf der Schmugglerbande muss wissen, was ich auf Lager habe, und was ich noch an die Frau, an dich, bringen kann. Zum einen wären da Banalitäten, die sicher nicht schwer gewichten, solltest du mich erwischen. Vermutlich kannst du sie dir denken.

Da wäre mein Bett, in dem vor dir schon mehr als ein Dutzend Mädchen schliefen. Sie alle haben das gleiche Gefühl gehabt wie du: Geborgenheit, Wärme, Vertrauen. Du legst dich so selbstverständlich auf das Laken, welches sich ein ums andere Mal in kreisenden Bewegungen im Bauch meiner Waschmaschine drehte, nachdem ich es nach schlaflosen und alkoholisierten Nächten mit deinen Vorgängerinnen teilte. Du legst dich so selbstsicher unter meine Bettdecken, als wären sie unschuldige Wolken und dein Geruch, dein Schweiß wäre der erste, den die wollenen Fasern aufsaugten und innehielten. Dein Kopf liegt ruhig auf eben jenem Kopfkissen, dass vor dir schon Wollust gedämpft und Fingernägel gespürt hat. Ohne dass du einen Gedanken daran verlierst.

Mein Kleiderschrank. Wenn du zum Sport gehst und dir ein Shirt aus meinem Schrank nimmst und so klein und fein in meinen dir viel zu großen Nickies durch den Raum tanzt, dann verschweige ich dir, dass schon Mädchen vor dir dieses Shirt getragen haben. Ich verschweige dir, dass dieses Shirt ein Geschenk der Frau war, die vorher in anderen Shirts durch dieses Zimmer getanzt ist. Ich verschweige dir, dass noch vor wenigen Wochen andere Mädchen dieses Shirt zum Schlafen trugen. Ich verschweige dir, dass mich dieses Shirt an andere Mädchen erinnert. Ich verschweige dir, dass vielleicht Mädchen nach dir dieses Shirt lieben werden.